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Liebesromane an einem Ort

reader.chapterIm Netz der Intrigen


Sophia Adler

Die Tür schloss sich mit einem satten Klicken hinter ihnen, und die gedämpften Klänge des Clubs verstummten fast vollständig. Sophia war sich schmerzlich bewusst, dass sie sich nun in einer anderen Dimension des „Schatten“ befand – ein Bereich, der nicht für die flüchtigen Besucher bestimmt war, sondern für jene, die in den verborgenen Tiefen der Macht operierten. Der Korridor, in den Viktor sie geführt hatte, war schmal und kühl, die Wände in dunklem Holz gehalten, unterbrochen von kleinen, fast unsichtbaren Kameras, die jede Bewegung aufzeichneten. Der Geruch von poliertem Holz und irgendeinem blumigen Reinigungsmittel hing schwer in der Luft.

„Interessant, nicht wahr?“ Viktors Stimme war leise, fast beiläufig, doch sie schwang mit einer unterschwelligen Herausforderung mit. Er ging vor ihr, sein Gang selbstbewusst, als wäre er der Herrscher dieses Labyrinths.

„In der Tat,“ antwortete Sophia knapp, bemüht, ihre Stimme neutral zu halten. Ihre Hände, sorgsam hinter ihrem Rücken verschränkt, fühlten sich kühl und feucht an, doch sie zwang sich, keine Unsicherheit nach außen dringen zu lassen. Ihr analytischer Verstand arbeitete fieberhaft. Jede Kamera, jede Reflexion auf den polierten Oberflächen war ein potenzielles Überwachungswerkzeug. Sie musste sich anpassen, ihre Umgebung lesen wie eine Karte. Die Frage war nur, ob Viktor sie führen wollte – oder ob er sie prüfte.

„Sie wirken angespannt, Fräulein Markova,“ fuhr Viktor fort, ohne sich umzusehen. „Entspannen Sie sich. Falls Sie sich fragen, ob ich Sie aus irgendeinem Grund hierhergebracht habe, um Sie loszuwerden – glauben Sie mir, dieser Ort bietet weitaus bessere Gelegenheiten dafür.“

Sophia zwang sich, nicht auf den Köder einzugehen. Stattdessen hielt sie ihre Haltung aufrecht, kühl und professionell. „Das wäre eine Verschwendung, finden Sie nicht, Herr Morozov? Ich dachte, Sie schätzen interessante Dinge.“

Er blieb abrupt stehen, drehte sich um und musterte sie mit einem Blick, der so scharf war wie ein Skalpell. Die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen. „Das tue ich. Aber manchmal ist es schwer, zwischen wertvollen Schätzen und gefährlichen Fallen zu unterscheiden.“

Sophia erwiderte seinen Blick ruhig, obwohl ihr Herzschlag einen Moment lang schneller wurde. „Die Kunst besteht darin, zu wissen, wie man die Fallen umgeht.“

Ein kaum merkliches Zucken ging über Viktors Gesicht, bevor er sich abwandte und weiterging. Er schob eine unscheinbare Tür auf und führte sie in einen Raum, der in seiner Atmosphäre noch intensiver war als der Club selbst. Ein langer Konferenztisch, glänzend wie schwarzer Obsidian, dominierte den Raum, umgeben von schweren Ledersesseln. An den Wänden hingen abstrakte Kunstwerke, deren chaotische Farben im Kontrast zur sterilen Eleganz des Raumes standen. Der Geruch von Leder und teurem Zigarrentabak drang ihr in die Nase. Hier wurden Entscheidungen getroffen, die Leben oder Tod bedeuteten, das war offensichtlich.

Zwei Männer und eine Frau saßen bereits am Tisch. Alle drei erhoben sich, als Viktor mit Sophia eintrat. Ihre Blicke waren stechend, prüfend, und Sophia spürte, wie ihre Deckung auf die Probe gestellt wurde. Besonders der Mann zu Viktors rechter Hand – ein stämmiger Typ mit Glatze und einem feinen, silbernen Ring an der rechten Hand – ließ seinen Blick unverhohlen über sie gleiten.

„Gäste sind selten, Morozov,“ sagte er mit einer rauen Stimme, die wie zermalmender Kies klang. „Besonders solche, die wir nicht kennen.“

„Elena Markova ist nicht irgendeine Besucherin,“ entgegnete Viktor, während er einen der Sessel für Sophia zurechtrückte. „Ihr Geschäft in Moskau hat einige unserer Freunde beeindruckt.“

Sophia nahm mit einem leichten Kopfnicken Platz und ignorierte die innerliche Anspannung, die sich wie ein Schraubstock um ihre Brust legte. Sie musste Viktor vertrauen – zumindest soweit, wie es die momentane Situation erforderte. „Geschäfte sind überall gleich, denke ich,“ sagte sie ruhig, ihre Deckidentität beibehaltend. „Man muss nur wissen, wie man sich in den Schatten bewegt.“

Die Frau am Tisch – eine schlanke, mittelalte Person mit strengem Blick und einem blutroten Lippenstift, der einen scharfen Kontrast zu ihrer blassen Haut bildete – hob eine Braue. „Klug. Aber Worte sind billig, Fräulein Markova.“

Sophia hielt ihrem Blick stand, während sie absichtlich einen Schluck ihres Wassers nahm, das ein Diener eben auf den Tisch gestellt hatte. „Das gilt auch für Misstrauen.“ Sie ließ den Satz einen Moment wirken, bevor sie weitersprach. „Aber ich nehme an, dass man sich in diesem Raum keine Illusionen erlauben kann. Misstrauen ist überlebenswichtig.“

Eine gespannte Stille breitete sich aus, und Sophia spürte, wie das Gewicht der Blicke auf ihr lastete. Viktor, der sich inzwischen an die Stirnseite des Tisches gesetzt hatte, lehnte sich zurück und musterte die Anwesenden mit der Gelassenheit eines Schachspielers, der seinen nächsten Zug abwog.

„Nun,“ sagte er schließlich, „wir sind alle hier, um Geschäfte zu machen, nicht wahr? Warum also nicht sehen, was unsere neue Freundin zu bieten hat?“ Seine eisblauen Augen trafen die ihren, und Sophia wusste, dass dies ein Test war. Ein Schachzug, mit dem er sie entweder in Sicherheit wiegen oder noch tiefer in Gefahr führen wollte.

Bevor sie jedoch antworten konnte, öffnete sich die Tür erneut, und ein kleiner, drahtiger Mann mit einem Tablet in der Hand betrat den Raum. Er flüsterte Viktor etwas ins Ohr, und die Spannung im Raum schien für einen Moment zu kristallisieren. Sophia nutzte die Gelegenheit, um ihre Umgebung genauer zu mustern. Ihre Augen glitten über winzige Details – eine versteckte Kamera in der Ecke, das kaum wahrnehmbare Summen eines Geräts, das wahrscheinlich zur Überwachung diente. In einer Reflexion auf der Tischoberfläche bemerkte sie, dass die Frau einen Blickwechsel mit dem stämmigen Mann austauschte. Ein unausgesprochener Verdacht lag in der Luft.

„Entschuldigen Sie mich einen Moment,“ sagte Viktor schließlich und erhob sich, wobei er Sophia einen vielsagenden Blick zuwarf. „Ich bin gleich zurück. Führen Sie die Diskussion ruhig weiter.“

Als er den Raum verließ, spürte Sophia, wie die Stimmung kälter wurde. Die verbleibenden Personen sahen sie an wie ein Rudel Wölfe, das einen Fremden in seinem Territorium witterte.

„Also, Fräulein Markova,“ begann der stämmige Mann mit einem falschen Lächeln, während er sich nach vorne lehnte. „Was genau suchen Sie hier? Und warum sollten wir Ihnen vertrauen?“

Sophia zwang sich, ruhig zu bleiben. „Vertrauen ist ein Luxus, den ich nicht erwarte,“ antwortete sie. „Ich bin hier, um etwas Wertvolles anzubieten. Und ich denke, dass es in beiderseitigem Interesse liegt, das Potenzial auszuloten.“

„Wertvolles?“ Die Frau zog eine Braue hoch, ihr Blick glitt erneut abschätzig über Sophia. „Das schließt nicht aus, dass Sie eine Gefahr sein könnten.“

„Gefahren kann man kontrollieren,“ entgegnete Sophia ruhig. „Man muss nur sicherstellen, dass sie richtig gelenkt werden.“

Ein leises Lachen entwich dem stämmigen Mann. „Nützlich. Aber Vorsicht, Fräulein. In unserer Welt zahlt jeder seinen Preis – früher oder später.“

Die Spannung im Raum ließ erst nach, als Viktor zurückkehrte, seine Miene unverändert, doch seine Augen funkelten mit einer neuen Erkenntnis. „Ich denke, wir haben heute genug geredet.“ Er bedeutete Sophia, aufzustehen. „Ich werde Fräulein Markova den Rest des Clubs zeigen.“

Mit gemessenen Schritten folgte Sophia ihm hinaus in den Korridor. Als die Tür hinter ihnen zufiel, sprach Viktor leise, ohne sie anzusehen. „Sie haben sich gut geschlagen. Aber seien Sie vorsichtig. Sie wissen nicht, wie tief dieses Netz reicht.“

Sophia spürte einen kalten Schauder über ihren Rücken laufen. „Das tue ich,“ erwiderte sie kühl. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie nur an der Oberfläche gekratzt hatte. Und dass jedes weitere Spiel mit den Schatten sie näher an den Punkt führen konnte, an dem es kein Zurück mehr gab.