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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 3Ein gefährliches Angebot


Wechsel zwischen Sofia und Erik

Sofia’s Hände lagen fest um die Henkel ihrer Tasse geschlossen, die Wärme des Kaffees kaum spürbar gegen ihre kühlen Finger. Das Café Lucia, ein Ort, der einst Trost und Geborgenheit versprach, fühlte sich heute wie ein Käfig an. Sie war früh gekommen, hatte sich durch das alte Fotoalbum ihrer Familie auf ihrem Handy gescrollt, um sich zu erden, und dabei immer wieder auf das Gesicht ihres Bruders Rafael gestarrt. Sein Lächeln wirkte wie aus einer anderen Zeit, und das Wissen, dass er nur knapp dem Tod entgangen war, spannte ihre Schultern so sehr an, dass sie kaum atmen konnte.

Erik Stein saß gegenüber, seine Präsenz wie eine dunkle Wolke, die jeden Raum zu verschlucken schien. Seine scharfen blauen Augen musterten sie ausdruckslos, während seine Finger mit der kleinen Kaffeetasse spielten, die vor ihm stand. Er wirkte entspannt, doch Sofia spürte die unterschwellige Wachsamkeit in jedem seiner beiläufigen Bewegungen. Zwischen ihnen lastete eine Spannung, die die Luft schwer machte – Misstrauen, verbunden mit einem Hauch von unausgesprochener Neugier.

„Also willst du, dass ich dir helfe, deine Familie zu… entlarven?“ Erik brach schließlich die Stille, seine Stimme ruhig, beinahe beiläufig, doch Sofia hörte die Herausforderung in seinem Ton.

Sie hob den Blick, zwang sich, seinen kalten Augen standzuhalten. „Ich will keine Familie entlarven. Ich will die Wahrheit herausfinden.“

Ihre Finger verschränkten sich ineinander, ein Reflex, um ihre Unsicherheit zu überspielen. „Jemand aus meiner Familie hat meinen Bruder verraten und ihn fast umgebracht. Ich will wissen, wer es war und warum.“

Erik schnaubte leise, ein bitteres Lächeln zuckte an seinen Lippen. „Die Wahrheit.“ Er sprach das Wort aus, als wäre es ein schlechter Witz. „In deiner Welt ist die Wahrheit ein Luxus, den sich niemand leisten kann.“

Sofia spürte, wie ihre Entschlossenheit von seiner Kälte angegriffen wurde, doch sie hielt seinem Blick stand. „Vielleicht. Aber ich habe keine andere Wahl.“

Erik stellte die Tasse ab, das leise Klirren des Porzellans auf dem Teller klang schärfer, als es sollte. „Du hast mehr Wahl, als du denkst. Du könntest umdrehen, zurück in die Toskana gehen, und den ganzen Mist hinter dir lassen.“

„Und meinen Bruder sterben lassen?“ Ihre Stimme war leise, bebte leicht, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben. „Das werde ich nicht tun.“

Erik schwieg, seine Augen bohrten sich in ihre, suchten nach einer Lüge, nach einem Schwachpunkt. Doch Sofia begegnete seinem Blick mit eiserner Entschlossenheit. Schließlich lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte mit einem Hauch mehr Schärfe: „Warum ausgerechnet ich?“

Sofia zögerte, ihre Gedanken rasten. Sie hatte sich diese Frage oft gestellt, bevor sie den Mut gefunden hatte, ihn zu kontaktieren. „Weil Sie sich in dieser Welt auskennen. Sie verstehen, wie diese Menschen denken, was sie antreibt. Und…“ Sie hielt inne, holte tief Luft, wählte ihre Worte mit Bedacht. „Weil Sie niemandem verpflichtet sind. Sie stehen außerhalb des Systems.“

Erik lachte trocken, das Geräusch war mehr Spott als Amüsement. „Außerhalb des Systems. Nett gesagt. Du meinst, ich bin ein herumlaufender Wrackhaufen, der nichts mehr zu verlieren hat.“

Sofia schluckte, aber sie ließ sich nicht einschüchtern. „Vielleicht. Aber genau das macht Sie zu dem, was ich brauche.“

Erik ließ seinen Blick durch das Café schweifen, betrachtete die Regale voller Bücher, die abblätternde grüne Markise draußen, als suche er nach einem Ausgang. Doch er kehrte zurück zu ihr, seine Kälte ungebrochen. „Und was habe ich davon? Warum sollte ich für dich die Kohlen aus dem Feuer holen?“

Sofia hob ihre Hände, legte sie flach auf den Tisch, um das Zittern zu unterdrücken. „Ich kann Ihnen Zugang zu etwas geben, das Ihnen helfen könnte, Ihr Leben zurückzubekommen.“

„Mein Leben?“ Erik hob eine Augenbraue, seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Und was genau glaubst du, ist mein Leben wert?“

Sofia hielt seinem Spott stand, auch wenn sie das Gefühl hatte, gegen eine Wand zu sprechen. „Ich weiß von den Beweisen,“ sagte sie leise, aber bestimmt. „Die, die Sie gesammelt haben, bevor alles zusammenbrach. Ich habe Kontakte, Erik. Kontakte, die Ihnen helfen könnten, diese Beweise zu nutzen.“

Erik blieb still, seine Augen verengten sich leicht, doch sein Gesicht blieb eine unbewegte Maske. „Woher weißt du von den Beweisen?“

„Das ist nicht wichtig.“ Sie versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. „Was wichtig ist, ist, dass ich Ihnen helfen kann, sie zu nutzen. Um die Menschen zur Rechenschaft zu ziehen, die Ihnen das angetan haben.“

Ein angespanntes Schweigen legte sich zwischen sie, bevor Erik sich nach vorne lehnte, seine Stimme leise, fast bedrohlich. „Ich habe genug von Leuten, die mir sagen, was wichtig ist und was nicht. Du bist in gefährlichem Terrain, Moretti.“

Sofia hob ihre Hände leicht, ein beschwichtigendes Zeichen. „Ich will nicht bluffen, Erik. Ich will, dass wir uns gegenseitig helfen. Sie haben etwas, was ich brauche – Ihr Wissen, Ihre Fähigkeiten. Und ich habe etwas, was Sie brauchen – einen Weg aus diesem Albtraum.“

Erik lehnte sich zurück, sein Blick schwer auf ihr ruhend. Schließlich griff er nach seiner Kaffeetasse, trank sie in einem Zug leer und stellte sie ab. „Ich werde dir nichts versprechen, Moretti. Aber ich werde darüber nachdenken.“

Sofia nickte, eine Welle der Erleichterung durchströmte sie, auch wenn sie wusste, dass nichts entschieden war. „Das ist alles, was ich im Moment brauche.“

Erik erhob sich, zog seine Lederjacke über die Schultern und warf ein paar Münzen auf den Tisch. „Wir sehen uns vielleicht. Oder auch nicht.“ Ohne einen weiteren Blick verließ er das Café, die Tür schwang hinter ihm zu.

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Draußen schlug ihm der kalte Wind ins Gesicht. Erik zog den Kragen seiner Jacke hoch, zündete sich eine Zigarette an und atmete tief ein. Der Rauch vermischte sich mit dem Hauch seiner Atemwolken in der frostigen Luft.

Sofia Moretti. Der Name allein hätte genügt, damit er sich fernhielt. Doch etwas an ihr ließ ihn nicht los. Ihre Augen – so wachsam, so verletzlich und doch entschlossen – erinnerten ihn an eine andere Zeit, an jemanden, den er längst verloren hatte. Er schüttelte den Gedanken ab und ließ den Rauch in die Nacht steigen.

Er wusste, dass er sich nicht einmischen sollte. Es war nicht sein Kampf, und die Morettis waren Teil des Systems, das ihn zerstört hatte. Und doch, ihr Mut – oder vielleicht ihre Naivität – störte ihn mehr, als er zugeben wollte.

Mit einem letzten Zug warf er die Zigarette zu Boden, trat sie aus und setzte seinen Weg fort. Er wusste, dass dies ihn zurückziehen würde, tiefer in die Schatten, aus denen er sich so verzweifelt befreien wollte. Und diesmal würde es keinen leichten Ausweg geben.