Kapitel 3 — Gefährliche Begegnung
Dritte Person
Die Basslinien der Musik vibrierten durch die Wände des Nachtclubs „Inferno“ wie ein pochender Herzschlag, der die Dunkelheit und die stickige Luft durchdrang. Rote und schwarze Lichter, wechselnd und pulsierend, fluteten den Raum, warfen flackernde Schatten auf die Menschenmassen, die sich auf der Tanzfläche wie eine einzige, lebendige Masse bewegten. In den Lounges entlang der Wände, abgeschirmt durch halbtransparente Vorhänge, saßen die Elite der Stadt und zwielichtige Gestalten nebeneinander. Zwischen Verhandlungen und verschwörerischen Flüstereien lag ein Hauch von Misstrauen, der die Luft noch schwerer machte als der Duft von Schweiß, teurem Parfüm und Alkohol. Überwachungskameras an den Ecken der Decke richteten ihre unauffälligen, aber allgegenwärtigen Linsen auf die Menge – ein stummer Wächter in einer Welt voller Geheimnisse.
Alex betrat den Club hinter Vincent Falk, dessen Präsenz Menschen anlockte wie ein Flammenlicht Motten. Vincent bewegte sich mit der Gelassenheit eines Mannes, der wusste, dass ihm dieser Ort gehörte. Sein maßgeschneiderter Anzug saß perfekt, eine subtile Demonstration von Macht und Kontrolle. Alex, in einem dunklen Hemd, einer schwarzen Jeans und einer abgetragenen Lederjacke, hielt sich bewusst zurückhaltend. Seine Kleidung war keine bloße Wahl, sondern eine strategische Entscheidung, um das Gleichgewicht zwischen Unauffälligkeit und Akzeptanz in Vincents Welt zu wahren. Doch er war sich bewusst, dass Vincents wachsame Augen mehr sahen, als sie preisgaben. Alex spürte das Gewicht seines Blicks bei jedem Schritt.
„Bleib nah bei mir“, sagte Vincent mit einem kühlen Lächeln, das nicht bis zu seinen Augen reichte. „Ich will sehen, wie du dich in meiner Welt bewegst.“ Seine Worte trugen die Schärfe eines Messers, verborgen in seidigem Ton. Alex erwiderte nur ein knappes Nicken. In Vincents Nähe war Schweigen oft die klügere Wahl.
Sie erreichten die VIP-Lounge, die durch einen schweren roten Vorhang von der Menge getrennt war. Zwei muskulöse Türsteher, deren durchdringende Blicke wie Scanner wirkten, traten beiseite, als Vincent und Alex eintraten. Der Raum hinter dem Vorhang war wie eine andere Welt – dunkelroter Samt, vergoldete Details an den Möbeln und eine dämpfende Beleuchtung, die den Raum mit dekadenter Intimität erfüllte. Leon Falk saß in der Ecke, ein Glas Whisky in der Hand. Sein Lächeln war schief, fast spöttisch, als er Alex musterte.
„Ah, unser neuer Freund“, sagte Leon langsam und hob sein Glas, als wolle er einen Toast ausbringen. „Willkommen.“
Alex erwiderte das Lächeln – schmal, berechnend. „Ich freue mich, hier zu sein.“ Seine Stimme war ruhig, doch seine Worte trugen einen Hauch von Ironie, den Leon nicht überhörte. Ein leises Lachen entglitt ihm, während seine Augen Alex weiter taxierten. Zwischen den Brüdern und Alex lag eine subtile Spannung, wie eine unsichtbare Saite, die unter Druck jederzeit reißen könnte.
„Setz dich“, wies Vincent Alex an und ließ sich selbst in einen tiefen Ledersessel sinken. Alex blieb jedoch stehen, die Hände locker in den Taschen seiner Jeans, während er den Raum mit einem prüfenden Blick durchstreifte. Jeder Gegenstand, jede Bewegung wurde registriert – ein leises Summen von versteckter Technologie hier, eine Kamera dort. Vincents Welt war durchtränkt von Kontrolle und Misstrauen.
Plötzlich öffnete sich der Vorhang zur VIP-Lounge erneut, und Lena Falk trat ein. Die Luft schien für einen Moment stillzustehen. Alex’ Blick blieb an ihr hängen, ohne dass er es bewusst wollte. Ihr schlichtes, aber elegantes schwarzes Kleid unterstrich ihre schlanke Silhouette, während ihre kastanienbraunen Haare in sanften Wellen über ihre Schultern fielen. Ihre grünen Augen wirkten im schummrigen Licht des Clubs wie verborgene Flammen, intensiv und unergründlich. Für einen Moment schien Alex alles um ihn herum zu vergessen – die Musik, die Gespräche, sogar Vincents Anwesenheit. Es war nicht nur ihre Schönheit, sondern die Art, wie sie den Raum betrat – ruhig, wachsam, mit einer Haltung, die Stärke und Verletzlichkeit zugleich ausstrahlte.
Doch Lena ließ sich von Alex’ Blick nicht beirren. Ihre grünen Augen glitten über Leon und Vincent, bevor sie sich der Bar zuwandte. Sie bewegte sich mit der Gelassenheit einer Person, die wusste, dass sie beobachtet wurde, aber nie mehr preisgab, als sie wollte. Sie bestellte ein Glas Wein, sprach leise mit dem Barkeeper, während ihre Haltung entspannt, aber von einer unterschwelligen Wachsamkeit durchzogen war.
„Meine Schwester Lena“, sagte Vincent, dessen Stimme von einem Hauch Stolz und Zurückhaltung begleitet wurde. „Ich glaube, ihr habt euch noch nicht getroffen.“ Lena drehte sich zu den Männern, und ihr Blick traf Alex’ mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht. Einen Moment lang schien sie ihn zu mustern, bevor sie mit ruhiger, fast sachlicher Stimme sprach.
„Lena Falk.“ Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, ihre Haltung höflich, aber distanziert. Alex nahm ihre Hand, bemerkte die kühle, aber feste Berührung. „Alex Wagner“, antwortete er. Ihre Augen suchten die seinen, als wollte sie mehr in ihm sehen als das, was er preisgab. Doch Alex war geübt darin, Mauern zu errichten, und so erwiderte er ihren Blick mit der gleichen undurchdringlichen Ruhe.
„Scheint, als hätte Vincent einen neuen Protegé gefunden“, bemerkte Lena leichthin, während sie sich abwandte und einen Schluck von ihrem Wein nahm. Ihre Worte waren beiläufig, doch Alex spürte die Spitze darin. Sie beobachtete ihn, testete ihn, genau wie Vincent – aber auf eine subtilere, raffiniertere Weise.
„Lena, sei nicht so hart zu ihm“, warf Leon ein und grinste über das Glas seines Whiskys hinweg. „Der arme Kerl ist gerade erst aufgestiegen.“
Alex zuckte mit den Schultern. „Ich bin noch hier, also nehme ich an, dass ich bestanden habe.“
Leon lachte, doch Vincents Blick schnitt sein Lachen ab. „Komm, Alex“, sagte er und erhob sich. „Es gibt etwas, das ich dir zeigen möchte.“
Alex folgte ihm durch einen schmalen Gang hinter der VIP-Lounge. Die laute Musik des Clubs wurde mit jedem Schritt gedämmt, bis sie fast verschwunden war. Stattdessen breitete sich eine bedrückende Stille aus, die nur von ihren Schritten durchbrochen wurde. Der Gang war eng, seine Wände in dunklen Tönen gehalten, mit einer kühlen, metallischen Atmosphäre. Alex’ Gedanken rasten: Wohin führte Vincent ihn? Und vor allem: Warum?
Der Raum, den Vincent schließlich betrat, war karg eingerichtet. Ein Tisch in der Mitte war beladen mit Überwachungsgeräten, Abhörsystemen und anderen Werkzeugen, die Alex nur zu gut kannte. Vincents Haltung strahlte Ruhe aus, doch seine Augen waren scharf, fast durchdringend.
„Jemand hat versucht, uns in den Rücken zu fallen“, sagte Vincent leise. Seine Stimme war kontrolliert, aber die unterdrückte Wut war spürbar. „Ich will, dass du herausfindest, wer.“
Alex nickte knapp, während er die Geräte musterte. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch innerlich spürte er, wie sich die Schlinge um ihn zuzog. Vincent testete ihn, und Alex musste vorsichtig navigieren, um nicht zu weit zu gehen – oder zu wenig.
Als Alex zurück in die Lounge kam, waren Vincent und Leon verschwunden. Lena saß allein an einem der Tische, das Weinglas in der Hand. Sie wirkte entspannt, doch ihre Augen waren wachsam, als er sich näherte.
„Darf ich mich setzen?“ fragte Alex.
Lena hob den Blick, ihre grünen Augen glitzerten im schummrigen Licht. „Natürlich“, sagte sie ruhig.
Sie sprachen nur wenige Worte, doch jeder Satz war ein Test, jede Geste ein Versuch, den anderen zu durchschauen. Die Spannung zwischen ihnen war greifbar, wie ein unsichtbares Band, das sie verband, obwohl sie es nicht wollten. Alex spürte, dass Lena mehr sah, als er zeigen wollte, und Lena wusste, dass Alex etwas vor ihr verbarg. Doch trotz des Misstrauens lag etwas anderes in der Luft – eine unerklärliche Verbindung, die weder von Alex’ Strategie noch von Lenas Vorsicht ignoriert werden konnte.
Die Nacht im „Inferno“ war noch lang, doch Alex wusste, dass dieser Moment, diese Begegnung, mehr war als ein Zufall. Es war der Beginn von etwas – etwas, das er noch nicht einordnen konnte.