Kapitel 3 — Die Verlobung verkündet
Isabella von Falkenstein
Das Licht des späten Nachmittags fiel durch die hohen Fenster des großen Festsaals im Schloss Heidelberg, gebrochen von den bunten Glasmalereien, die Heilige und Märtyrer darstellten. Die farbigen Muster tanzten wie lebendige Schatten über den polierten Marmorboden, doch Isabella konnte sich der ironischen Symbolik nicht entziehen. Die Märtyrer in den Fenstern – waren sie nicht auch Opfer eines größeren Ganzen gewesen? Diese Gedanken verstärkten das Unbehagen in ihrer Brust, als sie den Saal betrat, ihre Schritte langsam und kontrolliert. Innerlich jedoch fühlte sie sich wie eine Marionette, deren Fäden von einer unsichtbaren Hand gezogen wurden.
Der Raum war überfüllt mit Menschen, deren Stimmen ein beständiges Summen bildeten, das über den schweren Duft von Parfums, Kerzenrauch und frischen Blumenarrangements hinwegklang. Männer in Samt und Brokat, Frauen in prunkvollen Kleidern, die mit juwelenbesetzten Korsagen glänzten, drehten sich lächelnd zu ihr um. Doch hinter diesen höfischen Masken lag etwas, das Isabella nur zu gut erkannte: Neugierde und Berechnung.
Ihre feingliedrigen Hände zitterten leicht, verborgen in ihrem Kleid aus tiefblauem Samt, während sie die Anwesenden musterte. Niemand sprach sie an, niemand erklärte ihr, warum sie hier war. Doch die Blicke, die feinen Andeutungen in Gesprächen, die sie beim Vorübergehen aufschnappte – all das ließ die Unruhe in ihr wachsen. Sie fühlte sich wie eine Fremde inmitten der Gesellschaft, die sie einst als ihre Heimat betrachtet hatte.
„Isabella, meine Tochter.“ Die tiefe Stimme ihres Vaters schnitt durch die Luft wie ein scharfer Dolch, und die Gespräche verstummten augenblicklich. Ruprecht von Falkenstein stand auf einer kleinen Erhebung am anderen Ende des Saals, flankiert von zwei Herren, die Isabella nur vage aus der Distanz kannte. Seine Haltung war aufrecht, seine Präsenz unnachgiebig. Er hob die Hand, ein Befehl, der keinen Widerspruch duldete.
Isabella atmete tief ein, suchte nach dem Mut, der ihr entglitt, und trat vor. Die Blicke der Anwesenden folgten ihr, stachen wie Nadeln in ihre Haut. Sie versuchte, sich an die höfische Etikette zu erinnern, ihre Haltung zu wahren, doch ihre Unsicherheit schien wie ein unsichtbarer Schleier über ihr zu liegen.
Als sie schließlich vor ihrem Vater stand, nickte er kaum merklich – eine Geste, die ebenso viel Zustimmung wie Kontrolle ausstrahlte.
„Heute,“ begann er, seine Stimme füllte mühelos den Raum, „wollen wir nicht nur die Rückkehr meiner geliebten Tochter feiern, sondern auch ihre Zukunft sichern – und die unseres Hauses.“
Ein leises Murmeln ging durch die Menge. Isabellas Nacken versteifte sich, ihr Herz begann einen unregelmäßigen Rhythmus zu schlagen. Ihre Hände suchten Halt an den Falten ihres Kleides, während die Vorahnung wie ein schwerer Stein in ihrem Magen lag.
„Ich freue mich, euch allen verkünden zu dürfen, dass meine Tochter Isabella von Falkenstein mit Graf Johann von Waldenburg verlobt wird.“
Die Worte ihres Vaters waren wie ein Hammerschlag. Ein kalter Schauer durchfuhr sie, und für einen Moment konnte sie nur das dröhnende Rauschen in ihren Ohren hören. Ihre Augen weiteten sich leicht, doch sie zwang sich, keine Bewegung zu machen, die ihre Gefühle offengelegt hätte.
„Ich...“ Ihre Lippen formten Worte, die kaum hörbar waren, bevor sie sich wieder schloss. Sie spürte die Blicke wie ein grelles Licht auf ihrer Haut, drängend, lauernd, und wusste, dass Widerstand in diesem Augenblick undenkbar war.
Bevor sie ihre Gedanken ordnen konnte, trat ein Mann aus dem Schatten neben ihrem Vater hervor. Johann von Waldenburg.
Ein Mann von beeindruckender Statur, breitschultrig und gekleidet in eine dunkle Eleganz, die ihn nur noch einschüchternder wirken ließ. Seine Gesichtszüge waren scharf, die eisgrauen Augen durchdringend, fast unnatürlich kalt. Als er sich vor ihr verbeugte, schien jede Bewegung von ihm geplant, kontrolliert, besitzergreifend.
„Mylady.“ Seine Stimme, eine tiefe, fast rauchige Mischung aus Autorität und Berechnung, ließ eine Gänsehaut über ihren Rücken laufen. Er griff nach ihrer behandschuhten Hand und führte sie flüchtig zu seinen Lippen. Der Kuss war kaum mehr als eine Berührung, doch Isabella fühlte ihn wie eine Fessel.
„Es ist mir eine Ehre.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das mehr eine Geste der Kontrolle als des Wohlwollens war.
Die Luft schien plötzlich dünn zu werden, und Isabella zwang sich, zu nicken. Gedanken jagten durch ihren Kopf, chaotisch und aufgewühlt. Ihr Vater hatte dies entschieden, ohne ein einziges Wort mit ihr zu wechseln. Johann von Waldenburg, ein Mann, dem sie nie zuvor begegnet war, sollte nun ihr Ehemann werden?
„Möge diese Verbindung nicht nur unsere Familien stärken,“ fuhr Ruprecht fort, „sondern auch die katholische Sache in dieser Region sichern.“
Die katholische Sache. Natürlich. Isabella fühlte, wie sich eine Welle aus Enttäuschung und Wut in ihr sammelte. Sie war nicht mehr als ein Pionier in einem strategischen Spiel, das ohne Rücksicht auf ihre Wünsche geführt wurde.
„Ein Hoch auf die Verlobung!“ rief eine Stimme aus der Menge, und die Anwesenden folgten mit gehobenen Kelchen und höfischem Applaus. Isabella zwang sich, ruhig zu bleiben, doch ihre Hände zitterten stärker, und ein Kloß formte sich in ihrem Hals.
Als sie den Blick senkte, bemerkte sie jemanden am Rande des Raumes. Laurenz von Dornberg.
Sein Gesicht, halb im Schatten verborgen, zeigte keinen Triumph, keine Berechnung. In seinen dunklen Augen lag etwas, das wie Verständnis aussah. Vielleicht Mitleid. Doch wie konnte sie sicher sein? Seine Haltung war entspannt, doch seine Finger hielten den Kelch in seiner Hand etwas zu fest – eine subtile Spannung, die ihr nicht entging.
Laurenz hob leicht sein Glas, eine kaum merkliche Geste, bevor er sich wieder der Gesellschaft um ihn herum zuwandte. Isabella wusste nicht, ob sie seine Anwesenheit als Trost oder als weiteren Grund zur Vorsicht empfinden sollte.
„Isabella.“ Die Stimme ihres Vaters war ein Anker, kalt und schwer. „Du wirst unserem Haus große Ehre bringen.“
Sie hob ihren Blick, begegnete seinem, suchte nach einem Funken von Mitgefühl – fand jedoch nur den Mann, der bereit war, alles zu opfern, auch seine eigene Tochter.
Die Feierlichkeiten zogen sich wie in Zeitlupe dahin, während Isabella innerlich immer fester in sich zusammensank. Johann sprach in einem tiefen, gemessenen Ton mit ihr, doch sie hörte seine Worte kaum. Sie nickte mechanisch, spielte ihre Rolle mit der Präzision, die von ihr erwartet wurde.
Ihre Gedanken wanderten unwillkürlich zu Laurenz zurück. Ein Teil von ihr wollte ihm vertrauen, in seiner Haltung etwas Echtes erkennen, doch eine andere Stimme warnte sie eindringlich. In dieser Welt, das wusste sie nun, war Vertrauen ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte.
Als der Abend weiterging, wurde ihr eines klar: Dies war nicht das Ende, sondern der Anfang. Ein Spiel hatte begonnen, eines, das sie zu durchschauen lernen musste – wenn sie überleben wollte.