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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 3Unerwartete Rückkehr


Hanna

Die ersten Anzeichen von Dämmerung tauchten die Wände des Lagerhauses in ein schwaches, trügerisches Licht. Das warme Licht des Tages wich der kühlen Dunkelheit, und die Schatten krochen langsam über den Boden, verzerrt und unbeständig, wie die Gedanken in Hannas Kopf. Seit der anonymen Botschaft fühlte sich die Zeit wie zähflüssiger Teer an. Die Worte „Die Masken sind noch nicht gefallen“ hallten immer wieder in ihrem Geist nach, jeder Buchstabe ein Stachel, der ihre ohnehin fragile Entschlossenheit auf die Probe stellte. Die Maske selbst – kunstvoll gezeichnet, aber bedrohlich in ihrer Perfektion – war zu einem Symbol für die Unsichtbarkeit ihrer Feinde geworden.

Raphael saß am Holztisch, die Stirn in tiefe Falten gelegt, während er eine Karte mit möglichen Treffpunkten ihrer Feinde studierte. Seine Finger zeichneten leise Linien entlang der Ränder, seine Gedanken schienen schwer, doch sein Blick war fokussiert. Rahul war in einen stillen, intensiven Kampf mit ihrem Laptop vertieft. Ihre Finger flogen über die Tastatur, während der Bildschirm ein komplexes Muster aus Codes und Diagrammen zeigte. Ab und zu runzelte sie die Stirn und biss sich auf die Unterlippe. Marc stand abseits, seine Haltung angespannt, als würde er instinktiv versuchen, unsichtbar zu sein. Seine nervösen Bewegungen – das Spielen mit dem Saum seiner Jacke, das unruhige Wippen seiner Füße – verrieten seine innere Unruhe, die sich wie eine unsichtbare Welle durch den Raum zog.

Hanna lehnte sich an die Rückwand, die Arme fest vor der Brust verschränkt. Der Raum schien plötzlich viel enger, die Luft schwerer, durchtränkt von unausgesprochenen Spannungen und einem bedrückenden Schweigen. Ihre Gedanken wirbelten, ein chaotisches Netz aus Strategien, Erinnerungen und Ängsten, das sie nicht entwirren konnte. Sie spürte, wie ihre Züge sich verhärteten, als sie versuchte, ihre innere Unsicherheit zu verbergen.

Ein leises, rhythmisches Klackern unterbrach die Stille – Schritte, die von den Korridoren des Lagerhauses widerhallten und langsam näherkamen. Hanna spannte sich an, ihr Körper wie ein gespanntes Seil kurz vor dem Reißen. Sie tauschte einen schnellen Blick mit Raphael, dessen Hand unauffällig in Richtung seiner Waffe glitt. Rahul hielt inne, der Cursor auf ihrem Bildschirm blinkte, während sie den Kopf leicht hob, die Augen schmal vor Konzentration. Selbst Marc erstarrte, seine Nervosität wich einer alarmierten Starre.

Die Schritte verebbten, und dann öffnete sich mit einem leichten Quietschen die schwere Metalltür. Für einen Moment war das Licht von außen so grell, dass es die Gestalt im Rahmen nur als Silhouette zeigte. Doch dann trat die Person ins Innere, und Hannas Atem stockte.

Elena.

Das elegante, perfekt gepflegte Erscheinungsbild, das sie einst so sehr ausgezeichnet hatte, war verschwunden. Stattdessen trug sie eine schlichte, dunkle Jacke und einfache Hosen – Kleidung, die eher praktisch als stilvoll war. Ihr Haar, einst glatt und makellos, war jetzt kürzer, leicht unordentlich. Aber es waren ihre Augen, die Hanna fesselten: Die einstige Arroganz und Kälte waren verflogen, ersetzt durch etwas, das wie Reue und Erschöpfung wirkte. Doch darunter lag eine Entschlossenheit, die durch die Schatten ihrer Vergangenheit hindurchzuleuchten schien.

„Ich wusste, dass ich euch hier finden würde,“ sagte Elena, ihre Stimme leise, aber fest. Bevor jemand reagieren konnte, hob sie beschwichtigend die Hände. „Ich bin nicht hier, um Ärger zu machen.“

Raphael blieb an seiner Position, scharf wie eine Klinge, bereit, zuzuschlagen. Rahul verschränkte die Arme und musterte Elena mit einem so skeptischen Blick, dass selbst das kühlste Eis dagegen warm erschienen wäre. Marc wich zurück, als hätte ihn allein ihre Anwesenheit körperlich getroffen.

Hanna war die Erste, die sprach – ihre Worte messerscharf und kühl. „Warum bist du hier, Elena?“

Elena senkte langsam die Hände und trat einen Schritt in den Raum. Ihre Augen wanderten über die Gesichter der Anwesenden, bevor sie schließlich bei Hanna verweilten. „Weil ich etwas weiß, das ihr nicht wisst. Und wenn ihr es nicht erfahrt, könnte es euch den Kopf kosten.“

„Warum sollte ich dir glauben?“ fragte Hanna, ihre Stimme ruhig, aber in ihrem Inneren loderte ein Feuer. Ihre Finger krümmten sich, eine Mischung aus Wut und Vorsicht.

Elena hielt ihrem Blick stand. „Weil ich nichts mehr zu verlieren habe. Und weil ich vielleicht die Einzige bin, die euch helfen kann, bevor es zu spät ist.“

„Das ist nicht gerade beruhigend,“ warf Raphael ein, sein Tonfall scharf und schneidend. „Wie genau willst du uns helfen?“

Elena atmete tief ein, als müsste sie sich selbst Mut zusprechen. „Es gibt jemanden, der versucht, die Überreste des Karnevals zu übernehmen,“ sagte sie schließlich. „Eine neue Macht erhebt sich aus der Asche – jemand, der sich ‚Der Schatten‘ nennt. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass er gefährlicher ist als alles, was ihr bisher gesehen habt.“

Die Stille, die daraufhin den Raum erfüllte, war so schwer, dass Hanna das Summen der elektrischen Leitungen plötzlich ohrenbetäubend laut vorkam. Ihre Augen verengten sich, und ihre Stimme war so scharf wie ein Dolch. „Und woher weißt du das?“

Elena zögerte, dann hob sie das Kinn. „Weil ich ihn getroffen habe. Er hat mich rekrutieren wollen – oder vielleicht testen. Ich weiß nicht, was ich für ihn war, aber ich habe ihn gesehen. Und ich habe gehört, was er plant.“ Sie hielt inne, ihre Stimme wurde leiser, aber eindringlicher. „Er hat Wege, Menschen zu manipulieren, die ich noch nie erlebt habe. Er liest dich, als wärst du ein offenes Buch... und er zerlegt dich, ohne dass du es merkst.“

„Und du hast einfach abgelehnt?“ fragte Rahul, ihre Worte trocken und mit kaum verhohlener Skepsis. „Jemand wie du, der plötzlich die Seiten wechselt?“

Elena zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten. Doch sie stand fest. „Ich habe Fehler gemacht,“ sagte sie schließlich, ihre Stimme leiser. „Zu viele, um sie zu zählen. Aber ich habe den Schatten gesehen. Ich habe gesehen, was er mit Menschen macht, was er plant. Und ich wusste, dass ich das nicht noch einmal durchmachen kann.“

Marc bewegte sich unruhig, seine Finger spielten nervös mit dem Saum seiner Jacke. „Sie könnte lügen,“ murmelte er, als spräche er eher zu sich selbst.

„Das könnte sie,“ stimmte Raphael zu, sein Blick bohrte sich in Elena. „Aber wenn sie die Wahrheit sagt, können wir es uns nicht leisten, sie zu ignorieren.“

Hanna betrachtete Elena schweigend, ihre Gedanken ein Wirbel aus Zweifeln, Erinnerungen und der schmerzhaften Wahrheit, dass Vertrauen ein riskantes Spiel war. Sie fühlte den vertrauten Stich des Verrats, aber auch die schwer zu ignorierende Möglichkeit, dass Elena wirklich helfen könnte.

„Du wirst uns alles sagen, was du weißt,“ sagte Hanna schließlich, ihre Stimme ruhig, aber voller Autorität. „Aber wenn ich auch nur den Hauch eines Zweifels habe, dass du uns hintergehst, war das hier dein letzter Schritt.“

Elena nickte langsam. „Ich verstehe.“

„Keine falschen Bewegungen,“ fügte Raphael hinzu, seine Stimme kühl wie Stahl. „Ich habe keine Geduld für Spiele.“

Rahul schnaubte leise und wandte sich wieder ihrem Laptop zu, während Marc sich in die Schatten zurückzog, wo er immer noch so wirkte, als wolle er am liebsten verschwinden. Hanna ließ den Blick über die Gruppe streifen, bevor sie sich wieder auf Elena konzentrierte.

„Fangen wir an,“ sagte sie, ihre Augen glühten vor Entschlossenheit. „Was weißt du über diesen Schatten?“

Draußen begann die Dunkelheit die letzten Reste des Tageslichts zu verschlucken, und die Schatten legten sich schwer auf das Lagerhaus, während Elena begann, die Geschichten zu erzählen, die sie mitgebracht hatte. Geschichten, die nichts Gutes versprachen.