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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 1Geheimnisvolle Botschaft


Lena Berger

Der Regen peitschte unaufhörlich gegen die großen Fenster des Büros in Kreuzberg, als würde er versuchen, die letzten Reste des Tageslichts fortzuspülen. Das monotone Summen der alten Heizkörper war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, abgesehen von dem gelegentlichen Kratzen einer Computertastatur. Lena Berger saß an ihrem Schreibtisch, die Hände über der Tastatur, ihre grauen Augen konzentriert auf den Bildschirm gerichtet.

Die unnachgiebig blaue Oberfläche einer Datenbank flimmerte vor ihr, doch der Fortschrittsbalken bewegte sich kaum. Ihre Finger verharrten in der Luft, bevor sie genervt mit der Zunge schnalzte. Mit einem leisen Seufzen griff sie zu ihrer dampfenden Kaffeetasse, während ihr Blick kurz durchs Büro schweifte.

Der Raum war eine chaotische Ansammlung von Aktenstapeln, verknoteten Ladekabeln und halb leeren Kaffeebechern. Ein alter Notizblock balancierte gefährlich an der Kante eines Regals, als würde er jeden Augenblick abstürzen. Aus dem Augenwinkel sah Lena, wie Carla, ihre Kollegin und engste Vertraute, am anderen Ende des Raumes auf einem klapprigen Drehstuhl saß, einen Stift zwischen den Zähnen, während sie nachdenklich auf einen Stapel Ausdrucke starrte.

„Immer noch nichts?“ fragte Carla schließlich, ohne aufzusehen. Ihre Stimme war leise, doch der Hauch von Sorge war unverkennbar.

Lena stellte die Tasse zurück auf den Schreibtisch, ohne zu trinken. „Nichts, was nicht schon durchgekaut wurde. Dieselben Namen, dieselben toten Enden. Es ist wie ein Puzzle mit fehlenden Teilen.“ Ihre Worte waren präzise, beinahe schneidend, während sich ihre Finger wieder der Tastatur zuwandten.

Carla zog den Stift aus dem Mund und lehnte sich zurück. „Vielleicht solltest du mal durchatmen. Eine Pause kann Wunder wirken, weißt du?“

Lena warf ihr einen kurzen Blick zu, in dem Skepsis und eine Spur Ironie lagen. „Ich brauche keine Pause. Ich brauche einen verdammten Durchbruch.“

Kaum hatte sie das gesagt, vibrierte ihr Handy neben der Tastatur. Der Ton durchschnitt die Stille und ließ Lena innehalten. Ihre Augen wanderten langsam zum Bildschirm des Geräts.

Eine neue E-Mail. Der Absender war anonym.

Interessant.

Ihre Finger griffen nach dem Handy, und mit einer schnellen Bewegung entsperrte sie es. Ihre Augen huschten über die Nachricht, und ihre Miene versteinerte sich, während ihr Puls an Fahrt aufnahm.

„Lena, was ist los?“ fragte Carla von ihrem Platz aus, als sie bemerkte, wie Lena sich abrupt aufrichtete.

Lena antwortete nicht sofort, sondern leitete die E-Mail an ihren Laptop weiter. „Komm her. Das musst du sehen.“

Carla war innerhalb von Sekunden an ihrer Seite, ihre braunen Augen flogen über den Text. Die Nachricht war knapp, aber explosiv: „Patienten verschwinden. Illegale Experimente. Daten werden manipuliert. Alles führt zurück zu Niklas van Reyn.“ Darunter befanden sich Links zu verschlüsselten Dateien und ein herausfordernder Satz: „Wenn du wirklich an die Wahrheit glaubst, dann findest du sie hier.“

Carla runzelte die Stirn. „Niklas van Reyn? Das ist doch dieser Tech-Milliardär. Gründer von GenTech oder so ähnlich. Was hat der mit Patienten zu tun?“

Lena lehnte sich zurück, ein Schatten von Unruhe in ihrem Blick. Niklas van Reyn war mehr als nur ein Name. Er war einer der mächtigsten Männer der Welt, ein visionärer Unternehmer, dessen Forschungen im Bereich der genetischen Modifikation sowohl revolutionär als auch umstritten waren. Seine Projekte hatten ebenso viele Bewunderer wie Kritiker.

„Wenn das wahr ist, was hier steht, dann ist das eine Bombe“, murmelte Lena und strich mit einer Hand über ihre Stirn.

„Aber warum jetzt? Und warum wir?“ Carla sprach schnell, ihre Stimme verriet ihr wachsendes Unbehagen.

„Das spielt keine Rolle.“ Lenas Stimme war leise, aber bestimmt. Sie klickte auf die Links und betrachtete die verschlüsselten Dateien mit einem analytischen Blick. „Wichtig ist, was wir daraus machen.“

Sie begann, die Dateien zu entschlüsseln, ihre Finger flogen über die Tastatur. Doch die Sicherheitsmaßnahmen waren komplex und verlangsamten den Prozess erheblich.

Carla schnaubte leise. „Das wird dauern. Ich hole meine Software, um die Sicherheitsprotokolle zu überprüfen. Wenn uns jemand beobachtet, sollten wir es als Erste wissen.“

Lena nickte knapp, ihre Augen noch immer auf den Bildschirm gerichtet. Carla verschwand hinter einem Regal, während die Minuten sich zäh dahin zogen. Der Regen draußen hatte nachgelassen, doch die dichte Wolkendecke ließ den Raum in einem trüben Grau versinken.

„Das ist zu langsam“, murmelte Lena, mehr zu sich selbst als zu Carla. Sie lehnte sich zurück, die Finger über die Stirn gelegt. Ein vertrautes Gefühl des Frustes kroch in ihr hoch – das Gefühl, dass sie so nah dran war, aber die Lösung greifbar blieb wie ein Schatten.

Carla kehrte mit einem Laptop zurück und begann, ihren eigenen Arbeitsplatz vorzubereiten. „Ich werde sehen, ob ich unsere Spuren im Netz verschleiern kann. Wer auch immer uns das geschickt hat, hat vielleicht eine Agenda.“

Lena war zu fokussiert, um zu antworten. Sie kämpfte weiter mit der Entschlüsselung, bis schließlich, nach endlosen Versuchen, ein leises „Ping“ ertönte. Eine der Dateien war entschlüsselt.

Ihre Hände zitterten leicht, als sie die Datei öffnete. Eine Tabelle erschien auf dem Bildschirm, gefüllt mit Daten über Patienten, die an experimentellen Studien teilgenommen hatten. Die Namen waren anonymisiert, doch die Details waren schockierend: Berichte über ungewöhnliche Nebenwirkungen, plötzliche Therapieabbrüche, Patienten, die ohne Erklärung aus den Studien verschwunden waren.

Carla trat näher heran, ihre Augen geweitet. „Das ist... das ist krank. Sie haben Menschen wie Versuchskaninchen behandelt.“

Lena scrollte weiter, ihre Augen suchend. Plötzlich erstarrte sie. In einer der Spalten, beinahe unauffällig, war ein Code vermerkt – doch für Lena war er alles andere als unauffällig.

„Das gibt’s nicht...“, flüsterte sie, fast tonlos.

„Was gibt’s nicht?“ Carla rückte näher.

Lena deutete auf den Code. „Das ist derselbe Code, den mein Vater benutzt hat. In seinen Unterlagen. Immer wieder.“

Ein Moment der Stille breitete sich aus. Carla starrte sie an, ungläubig. „Aber... dein Vater? Das ergibt keinen Sinn. Er war kein Wissenschaftler.“

„Nein“, murmelte Lena und rieb sich die Schläfen, während Erinnerungen an die geordneten, akribischen Notizen ihres Vaters in ihrem Kopf aufflackerten. „Aber er war involviert. Irgendwie. Ich weiß es nicht.“

Carla legte eine Hand auf Lenas Schulter, ihre Stimme sanft. „Du solltest vorsichtig sein. Das könnte dich tiefer reinziehen, als dir lieb ist.“

Lena schüttelte den Kopf, Entschlossenheit in ihrer Miene. „Ich habe keine Wahl. Ich muss wissen, was das bedeutet.“

Die beiden Frauen tauschten einen Blick – eine unausgesprochene Übereinkunft, dass sie diese Spur verfolgen würden, egal, wohin sie führte.

Während Carla im Hintergrund die Sicherheitsmaßnahmen verstärkte, begann Lena erneut, durch die Dateien zu scrollen, ihre Gedanken rasten. Der Regen draußen hatte aufgehört, doch die Dunkelheit der Nacht hatte das Büro umhüllt. Nur die flackernden Bildschirme boten noch Licht in dem Raum.

Sie wusste, tief in ihrem Inneren, dass dies der Anfang von etwas war – einer Wahrheit, die größer und gefährlicher war, als sie es sich je hätte vorstellen können.