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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 3Abschied unter tränenreichem Himmel


Belle Devereaux

Der Himmel über Charleston weinte, während Belle am Pier stand, die kühle, salzige Brise in ihrem Gesicht und ihre Kleidung durchnässt vom sanften Regen. Die Wolken hingen wie schwere Vorhänge tief über der Stadt, und der Nieselregen prasselte auf die Holzbretter des Hafens, erzeugte ein rhythmisches Klopfen, das mit den Rufen der Möwen und den lautstarken Stimmen der Matrosen verschmolz. Die Luft roch nach Teer, nach Meer – und nach der unausweichlichen Finalität eines Abschieds, der ihr Herz in tausend Stücke zu zerreißen drohte.

An ihrer Seite stand Charlotte, die Haltung steif, doch ihre Finger verrieten sie: Sie zitterten leicht, als sie das kleine Medaillon, das sie Belle geben wollte, in ihren Händen drehte. Samuel klammerte sich an Charlottes Rocksaum, sein Gesicht halb verborgen, aber seine Augen weit geöffnet und fest auf Belle gerichtet.

„Meine Liebe,“ begann Charlotte, ihre Stimme leise und brüchig, doch mit einer Entschlossenheit, die sich durch den Lärm des Hafens schnitt wie das schwache Licht einer Laterne durch dunklen Nebel, „das hier gehört dir.“

Sie öffnete ihre Hand und enthüllte das Medaillon. Es war ein zierliches, goldenes Schmuckstück, und auf der glatten Oberfläche schimmerte die feine Gravur einer Magnolie – die Blütenblätter kunstvoll und lebendig eingefangen. Belle spürte einen Stich in ihrer Brust, als sie es erkannte. Es war das Medaillon ihrer Mutter, das Charlotte stets um den Hals getragen hatte.

„Mama, ich kann das nicht nehmen,“ flüsterte Belle, ihre Finger zögernd ausgestreckt, während ihre Kehle sich zuschnürte.

„Doch, du musst.“ Charlottes Stimme gewann an Stärke, während ihre Augen, deren Ränder vom Schlafmangel gerötet waren, Belles suchten. Die losen Haarsträhnen, die sich aus ihrem strengen Knoten gelöst hatten, klebten an ihren Wangen, doch ihre Entschlossenheit blieb unerschütterlich. „Es wird dich an uns erinnern – an das, was wir waren, und an das, was wir noch sein können.“

Belles Finger schlossen sich langsam um das Medaillon. Es fühlte sich kühl und schwerer an, als es sollte, als ob es all die Erinnerungen, all die Hoffnungen, die Charlotte hineingelegt hatte, trug. „Ich werde es gut bewahren,“ flüsterte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch, während ihre Augen feucht glänzten.

Charlotte legte ihre Hände sanft auf Belles, um das Medaillon in ihren Händen zu halten. „Vergiss nie, wer du bist, Belle. Was auch immer geschieht, halte an dir fest. Du bist stärker, als du denkst.“

Als Belle nickte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, ein stiller Sturm, der nur darauf wartete, loszubrechen. Der Regen verstärkte sich, und sie hob den Blick, um die Gestalten am Pier durch den Nebel zu erkennen. Ihre Kehle brannte, als sie die drohende Trennung spürte – eine Kluft, die sich immer weiter öffnete.

Ein schwerer Schritt auf dem nassen Holz lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Nathaniel Carter trat aus dem Nebel hervor, sein Mantel von der Feuchtigkeit dunkel gefärbt, die Krempe seines Hutes tief ins Gesicht gezogen. Es war, als ob er aus einer anderen Welt gekommen wäre – ein Schatten, der eine Botschaft brachte.

„Miss Devereaux,“ sagte er knapp und hielt einen weiteren Umschlag in seiner Hand. „Ein letzter Gruß vom Baron.“

Belles Augen verengten sich, und sie nahm den Umschlag, ihre Finger zitterten vor Unsicherheit. „Warum sind Sie hier, Mr. Carter?“ fragte sie, ihre Stimme schärfer, als sie beabsichtigt hatte, doch der Zweifel und die Angst ließen sich kaum verbergen.

Nathaniel begegnete ihrem Blick mit einer seltsamen Ruhe, doch etwas in seinen eisblauen Augen flackerte – ein Hauch von Bedauern, vielleicht sogar von Mitleid. „Manchmal,“ begann er langsam, seine Stimme so gedämpft wie der Regen, der um sie herum fiel, „sind wir gezwungen, Dinge zu tun, die wir nicht verstehen. Aber glauben Sie mir, Miss Devereaux, Sie besitzen mehr Macht, als Sie ahnen.“

Belle öffnete den Mund, doch bevor sie antworten konnte, zog er einen weiteren Umschlag aus der Tasche seines Mantels. „Dieser ist nicht vom Baron. Er ist für jemanden in Europa bestimmt. Bewahren Sie ihn gut auf und übergeben Sie ihn an die richtige Person. Es könnte wichtiger sein, als Sie denken.“

Sie nahm den Brief, und ihr Blick wanderte von seinen Händen zu seinem Gesicht, das im matten Licht des Hafens kaum zu erkennen war. „Warum tun Sie das?“ fragte sie leise, fast flehend.

Nathaniels Blick wurde für einen Moment weicher, doch sein Ton blieb ruhig und verschlossen. „Weil manche Schulden beglichen werden müssen,“ sagte er, und dann war er fort, verschwand im Nebel, so lautlos, wie er gekommen war.

Belles Herz raste, und sie spürte die nasse Kälte des Papiers, das sie in der einen Hand hielt, das Medaillon in der anderen. Der Regen hatte ihre Haare durchnässt, aber sie merkte es kaum. Alles, was sie fühlte, war die Last der Entscheidungen, die sie tragen musste.

„Belle,“ sagte Charlotte leise und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Es ist Zeit.“

Samuel, der bisher still gewesen war, klammerte sich plötzlich mit aller Kraft an sie, seine kleinen Hände um ihre Taille geschlungen. „Bitte geh nicht, Belle!“ flehte er, seine Stimme brach, und die Worte trafen sie wie ein Messer.

Belle kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein, und nahm ihn in ihre Arme, drückte ihn so fest, als ob sie ihn nie wieder loslassen wollte. „Hör mir zu, Sam,“ sagte sie, ihre Stimme zitterte vor unterdrückten Tränen. „Ich werde zurückkommen. Das verspreche ich dir. Du bist mein kleiner Bruder, und ich werde immer für dich da sein.“

„Bitte versprich es mir!“ wiederholte er, während seine Tränen sich mit dem Regen vermischten.

„Ich verspreche es,“ sagte sie, ihre Stirn an seine gelehnt, und küsste ihn sanft, bevor sie ihn losließ. Charlotte zog ihn sanft zurück, und Belle wandte sich ab, zu überwältigt, um sie noch länger anzusehen.

Das Schiff war bereit, seine Segel zu setzen. Die Matrosen riefen Befehle, und das Knarren des Holzes unter ihren Füßen klang wie das Seufzen einer Welt, die sie zurückließ. Belle ging an Bord, jeder Schritt schwerer als der letzte, ihr Herz zog sie zurück, doch ihre Beine trugen sie vorwärts.

Als sie das Deck erreichte, drehte sie sich ein letztes Mal um. Charlotte und Samuel standen am Pier, ihre Figuren klein und verloren im Nebel. Belle hob die Hand zum Abschied, und Charlotte folgte ihrer Geste, während Samuel sich an seine Mutter klammerte und winkte.

Das Schiff setzte sich in Bewegung, glitt langsam durch die graue, stille See. Der Regen prasselte auf die Planken, während Belle an der Reling stand, das Medaillon fest in ihrer Hand. Sie blickte zurück, das Land, ihre Familie, ihre Heimat verblassten allmählich im Nebel – doch sie wusste, dass sie einen Teil von sich dort zurückgelassen hatte.

Als die Küste verschwand, blickte Belle nach vorne, die salzige Brise trug den Geschmack von etwas Unbekanntem zu ihr. Und tief in ihrem Inneren, trotz des brennenden Schmerzes, keimte ein Funke. Es war nicht das Ende. Es war ein neuer Anfang.