Kapitel 1 — Prolog
Vor fast 25 Jahren
„Die Zeit ist gekommen, deine Pflicht für unser Volk zu erfüllen, Emberly.“ Diese tiefe, vertraute Stimme durchdrang die Finsternis, während Schweiß und Blut auf meiner Stirn ineinanderflossen.
Er würde mich töten.
Vor Jahren hätte ich diese bittere Erlösung vielleicht willkommen geheißen, doch nun entrang sich meinen gequälten Lippen ein leises Wimmern. Ich hatte einen Grund, am Leben zu bleiben – einen kostbaren Funken, der von dem Mann vor mir zu einem Monster gemacht werden würde, sollte ich sterben. Das Ungeheuer, das *wir* in unserer verfluchten Verbindung erschaffen hatten.
Er durfte mir meinen Sohn nicht nehmen.
„Durreos, es muss einen anderen Weg geben“, krächzte ich, meine Kehle rau vom Schreien.
Der Blick des Hochkönigs von Atrium bohrte sich in mich, schwarz wie ein Abgrund, unerbittlich wie immer. „Meine süße Gefährtin, es gibt nur diesen einen“, murmelte er, während seine kalten Finger über meine fiebrige Haut glitten. Ich kämpfte gegen den Drang, zurückzuzucken, obwohl ich einst diese Berührung mit jeder Faser meines Seins herbeigesehnt hatte. Jetzt drehte sich mir bei der Erinnerung an seine Zärtlichkeit der Magen um – eine Lüge, schärfer als jede Klinge.
Widerstand würde alles nur schlimmer machen. Das tat er immer.
Tränen brannten in meinen Augen, nicht um meinetwillen, sondern für den Jungen, der diese Welt ohne mich ertragen müsste – mein Licht in dieser endlosen Dunkelheit. Ich sah seine kleine Hand vor mir, die meine während eines Sturms fest umklammerte, sein Vertrauen mein einziger Halt. Die Schicksalsgötter hatten Durreos und mich durch das Gefährtenband aneinandergebunden, eine heilige Verbindung, die kein Schwert durchtrennen sollte, und doch verfluchte ich ihre Grausamkeit, mich an ihn zu ketten. Er war auf einem weißen Pferd herangeritten, ein Ritter, dessen Glanz den darunterliegenden Verfall verbarg, und hatte versprochen, meine Familie aus der Armut in Nox, den schattigen Landen meiner Kindheit, zu erheben. Er schwor, meinen Stamm zu beschützen und mir die Welt auf einem goldenen Tablett zu reichen. Stattdessen erntete ich nur Blut und Zerstörung in seinem Gefolge, getäuscht von honigsüßen Worten und dem Plan der Schicksalsgötter.
Nun stellte er sich sogar gegen ihre Gesetze, angetrieben von dunkler Magie – einem verbotenen Zauber, von dem man nur in angstvollem Flüstern sprach –, der es ihm erlaubte, unser Band zu brechen, indem er mein Leben nahm. Ich hob den Kopf zum Nachthimmel, wo die Monde der Göttlichen in einer seltenen, gefürchteten Konjunktion über Atrium standen, ihr magisches Gewicht schwer auf uns lastend. Ein ferner Heulton des Windes trug den Geruch feuchter Erde heran, der sich mit dem beißenden Gestank meiner Angst vermischte. Ich flüsterte ein Gebet in der alten Sprache von Nox, eine Bitte an die Götter um Erlösung von seiner Qual.
Flammen loderten um mich herum auf, versengten die Sohlen meiner Füße und stiegen unbarmherzig an meinen Waden empor. Ich unterdrückte einen Schrei – der Verrat in meinen Knochen schmerzte weit mehr als jedes Feuer. Blutrote Tränen rannen über mein Gesicht, während mein Herz sank, wissend, dass niemand antworten würde. Ich war allein, entblößt bis auf eine Seele, die noch immer meine Liebe barg. „Du kannst mich ihm nicht nehmen!“, schrie ich in das Inferno, meine Stimme verschluckt vom Tosen der Flammen.
Durch verschwommenen Blick sah ich den Mann, dem ich vertraut hatte – den ich mit jeder Faser geliebt hatte –, wie er mein Leben für seine unstillbare Gier nach Macht opferte. Durreos, *mein Gefährte*, beschwor ein unaufhaltsames Feuer, während er in einer mir fremden Sprache sprach. Symbole, in den Boden geritzt, glühten schwach unter uns, ein zeremonielles Zeichen seines finsteren Rituals, während das Feuer höher und heißer wuchs. Ich zerrte an den Eisenfesseln, die meine Handgelenke versengten, und ignorierte das Zischen meines Fleisches. Ich würde nie aufhören zu kämpfen, nicht, solange mein Sohn mich brauchte.
Seine Macht fraß sich in mich hinein, der Gestank verbrannten Fleisches erstickte die Luft. Ein ursprünglicher Schrei entrang sich meiner Brust, hohl vor Verzweiflung. Der Mann, in den ich mich verliebt hatte, war fort – oder vielleicht hatte diese Grausamkeit immer unter seiner Maske gelauert. Als meine andere Hälfte war er in meine Seele verwoben, und ihm Schaden zuzufügen, hätte ihn genauso tief verletzen müssen. Doch hier stand er, ungerührt.
„Durreos, ich flehe dich an“, keuchte ich durch die Qualen, während meine Haut unter der Hitze aufbrach. „Nicht ihn, nicht meinen Jungen.“
Er wickelte mein blutverkrustetes, einst goldenes Haar um seine Finger und beugte sich nah zu mir. Für einen flüchtigen Herzschlag sah ich den Hauch des Mannes, der mich ins Bett trug, nachdem ich am Kamin eingeschlafen war. Seine Hand zitterte, nur für einen Moment, und die Flammen an meinen Beinen dämpften sich, ihr Biss ließ nach, als ob der Schmerz unseres Bandes auch an ihm zehrte. Meine verkohlte, gebrochene Gestalt spiegelte sich in seinem Blick wider, Blut sammelte sich unter mir aus Wunden, die das Feuer noch nicht versiegelt hatte. Mein stotterndes Herz wagte zu hoffen, als ich flüsterte: „Tu es nicht, meine Liebe.“
Er drückte einen sanften Kuss auf meinen Mundwinkel und murmelte dann mit einer Stimme, schwer wie Stein: „Ich wünschte, es wäre nicht so, mein Herz.“ Seine nächsten Worte rissen jede verbliebene Illusion von Gnade entzwei. „Dein Leben gehört mir, um es zu nehmen.“
Die Monde erreichten ihren Höhepunkt über uns, und ein letzter, scharfer und altertümlicher Zauberspruch zischte von seinen Lippen. Ich krallte mich in die Erde, ein letzter, vergeblicher Widerstand, doch die Welt löste sich auf. Das letzte Echo des Lachens meines Sohnes verblasste mit mir, und dann fühlte ich nichts mehr.