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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 3Schatten im Rampenlicht


Lena Winter

Die Straßen Berlins schimmerten vor Nässe im flackernden Licht der Straßenlaternen, während der Regen unaufhörlich gegen die Windschutzscheibe peitschte. Lenas alter Golf ruckelte leicht, als sie eine enge Kurve nahm, die Hände fest um das Lenkrad geklammert. Die Scheibenwischer schabten über das Glas, schafften es jedoch kaum, eine klare Sicht auf die regennassen Straßen zu bieten. Auf dem Beifahrersitz lag der bereits geöffnete Umschlag, dessen Inhalt sich zu erinnern schien, dass dies mehr war als nur eine berufliche Aufgabe. Es war ihre letzte Chance.

Niklas Bergmann. Ein gefeierter Eishockeyspieler, fast legendär in seiner Disziplin. Doch seine abschottende Haltung gegenüber der Presse verlieh ihm eine Aura des Mysteriösen – und machte ihn zu einem Albtraum für Journalisten wie sie. Lena hatte die Unterlagen mehrmals durchgelesen, bevor sie ins Auto gestiegen war: Spielstatistiken, Interviews mit Teamkollegen, alte Artikel. Alles ergab ein Bild von Disziplin und Kontrolle, doch die Lücken waren ebenso auffällig wie die Fakten. Was verbarg sich hinter dieser Fassade aus Perfektion?

Ein seufzendes Geräusch entkam ihren Lippen, während sie dem Gedanken nachhing, ob sie diesmal Erfolg haben würde. Der Regen ertrug ihr Grübeln schweigend, trommelte jedoch weiter beharrlich gegen das Dach des Golfs.

Die „Arctic Arena“ zeichnete sich plötzlich vor dem regnerischen Nachthimmel ab – ein kalter, imposanter Koloss aus Glas und Stahl, der wie ein Monument der Leistung und des Drucks wirkte. Lenas Herz schlug schneller. Sie parkte zwischen zwei großen SUVs, deren glänzende Oberfläche den Regen in zahllosen Tropfen sammelte. Die Geräusche der Fans, die die Arena verließen, hallten gedämpft durch die graue Luft. Die Euphorie des Spiels klang ab, doch für Lena begann die eigentliche Arbeit erst jetzt.

Drinnen herrschte bereits eine eigenartige Stille. Die Gänge, die während des Spiels von jubelnden Fans erfüllt gewesen waren, lagen nun fast verlassen da, beleuchtet von kaltem, sterilem Licht. Die Luft trug eine Mischung aus Schweiß, Desinfektionsmittel und dem scharfen Geruch von Gummi. Lena zog ihren Mantel enger um sich und hielt ihren Presseausweis in der Hand, bereit, ihn bei Bedarf vorzuzeigen.

Am Pressebereich angekommen, betrat sie den kleinen, spärlich beleuchteten Raum, wo die Nachbesprechung des Spiels bereits lief. Der Trainer des Teams saß auf einem Podium vor einer Gruppe von Journalisten, deren Smartphones und Aufnahmegeräte fast hypnotisch auf ihn gerichtet waren. Lena ließ ihren Blick schweifen. Kein Niklas Bergmann. Natürlich nicht.

„Immer noch keine Interviews von Bergmann“, murmelte ein Kollege neben ihr. „Der Typ ist ein Phantom. Glaubt wohl, er sei zu gut für uns.“

Lena nickte mechanisch und versuchte, die Enttäuschung in ihrem Inneren zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die leeren Plätze im Raum und die Atmosphäre, die sich langsam aufzulösen schien, als die anderen Journalisten begannen, ihre Sachen zu packen.

Sie wartete, bis die Menge abgeebbt war, bevor sie entschlossen aufstand. Wenn er nicht zu ihnen kam, musste sie zu ihm gehen.

Die unteren Bereiche der Arena waren durch eine massive Metalltür versperrt, an der ein Wachmann lässig lehnte, das Gesicht in sein Smartphone vertieft. Lena setzte ihr bestes „selbstbewusst, aber harmlos“-Gesicht auf und näherte sich.

„Entschuldigung“, begann sie freundlich, den Presseausweis gut sichtbar in ihrer Hand. „Ich muss kurz mit einem der Spieler sprechen. Nur eine kleine Nachfrage für meinen Artikel.“

Der Wachmann sah kaum von seinem Handy auf. „Presse darf hier nicht durch.“

„Ich verstehe, aber es ist wirklich wichtig“, erwiderte Lena, ihre Stimme behielt eine Nuance von Dringlichkeit. „Es geht nur um eine kurze Frage. Mein Chefredakteur erwartet Ergebnisse, und das ist meine letzte Chance.“

Der Wachmann sah sie skeptisch an. „Wen suchen Sie?“

„Niklas Bergmann.“ Sie hielt den Atem an.

Ein trockenes Lachen entwich ihm. „Der gibt sowieso keine Interviews. Sie verschwenden Ihre Zeit.“

Lena überlegte kurz, was sie tun konnte. „Vielleicht. Aber lassen Sie mich das herausfinden. Ich brauche wirklich nur fünf Minuten.“

Der Mann zögerte, bevor er schwer seufzte. „Fünf Minuten, nicht mehr.“

„Vielen Dank“, sagte Lena schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte.

Die Tür schwang auf, und Lena schlüpfte hindurch, ihre Schritte hallten leise in den unterirdischen Gängen. Die Luft war kühler hier unten, und sie fröstelte leicht, während sie aufmerksam lauschte. Ihre Absätze klackten auf dem Betonboden, bis sie gedämpfte Stimmen hörte, die aus einem der Räume drangen.

Langsamer werdend, lehnte sie sich an die Wand und spähte vorsichtig um die Ecke. Da war er.

Niklas Bergmann. Selbst in der Dämmerung des Flurs strahlte er eine Präsenz aus, die schwer zu ignorieren war. Er stand mit verschränkten Armen, noch halb in seiner Ausrüstung, das Trikot spannte über seinen Schultern, während ein Mann – vermutlich sein Manager – leise auf ihn einredete. Sein Gesicht war ernst, die markanten Züge scharf geschnitten, doch Lena glaubte, einen flüchtigen Ausdruck von Erschöpfung in seinen Augen zu erkennen.

Sie holte tief Luft und trat aus dem Schatten. „Herr Bergmann!“

Die Stimmen verstummten. Beide Männer drehten sich abrupt zu ihr um, doch während der Manager sie mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen musterte, war es Bergmanns Blick, der sie traf wie ein Eissturm. Seine grauen Augen waren kühl und abweisend.

„Wer sind Sie?“, fragte der andere Mann scharf.

„Lena Winter, SportsJournal“, sagte sie und hob beschwichtigend die Hände. „Ich wollte nur eine Frage stellen.“

„Ich gebe keine Interviews“, sagte Bergmann, seine Stimme ruhig, aber fest.

„Das weiß ich“, erwiderte Lena schnell. „Aber ich möchte mehr über Sie als Person erfahren, nicht nur als Spieler. Sie haben so viele Fans, die—“

„Meine Geschichte geht Sie nichts an.“ Seine Worte schnitten durch die Luft wie Klingen.

Ein Muskel zuckte an seiner Kieferlinie, und Lena spürte, wie ihr eigener Ärger aufflammte. Sie ballte die Hände, zwang sich jedoch, ruhig zu bleiben. „Ich bin nicht hier, um Sie bloßzustellen. Ich bin hier, weil ich glaube, dass Sie mehr zu erzählen haben, als die Leute denken. Wenn Sie mir nur eine—“

„Mehr als die Leute denken?“, unterbrach er sie mit einem bitteren Lachen. „Sie Journalisten verstehen nur, was sich verkauft. Finden Sie Ihre Story woanders.“

Er ließ sie stehen, seine breiten Schultern straff, während er durch eine Tür verschwand. Der Manager warf ihr einen letzten, warnenden Blick zu, bevor er ihm folgte.

Die Kälte der Abweisung sickerte langsam in Lena, doch sie weigerte sich, entmutigt zu werden. Sie hatte etwas gesehen – ein kaum merkliches Hinken in seinen Bewegungen, ein Schatten in seinen Augen. Da war mehr, als er zuzugeben bereit war.

Der Regen spürte sich anders an, als sie die Arena verließ. Schwer, ja, aber nicht erdrückend. Er war wie eine unausgesprochene Herausforderung, die darauf wartete, angenommen zu werden.