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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 3Glamour und Schatten


Clara

Die Luft war kühl, fast beißend, als Clara den Kiesweg hinaufging, der zur Villa Falkenberg führte. Jeder Schritt auf dem knirschenden Kies fühlte sich an wie ein Countdown, der sie näher an den Mittelpunkt dieses elitären Schauspieles brachte. Ihr Kleid war perfekt gewählt – ein tiefschwarzes, schlichtes Design, das ihre athletische Figur betonte und dabei dezent blieb. Ihr Haar war in einer eleganten Hochsteckfrisur gebändigt, doch einige Strähnen umrahmten ihr Gesicht und schenkten ihr eine unerwartete Weichheit. Sie hielt die Schultern straff, versuchte die Haltung der Welt zu imitieren, die sie infiltrieren wollte, und wiederholte innerlich ihren Plan: Ruhe bewahren, unauffällig bleiben, Informationen sammeln. Doch ein nagender Zweifel flüsterte in ihrem Hinterkopf, ob diese Rolle sie schützen oder sie entlarven würde.

Die Villa Falkenberg ragte vor ihr auf wie ein Monument von Macht und Erbe, ein in Stein gemeißeltes Symbol für all das, was sie am meisten verachtete. Lange, weiß leuchtende Säulen trugen das Dach, und die vergoldeten Rahmen der Fenster schimmerten wie ein Hohn auf die Welt jenseits dieser Mauern. Der Duft von frisch geschnittenem Gras mischte sich mit dem schweren Aroma teurer Parfums. Gelächter und das Klirren von Weingläsern füllten die Luft, doch sie fühlte die Schatten, die hinter all dem Glanz lauerten.

Clara reichte ihre Einladung einem stoischen Portier, der sie mit einem prüfenden Blick musterte, bevor er sie höflich durchwinkte. Als sich die schweren Türen öffneten, strömte eine Woge aus Licht, Stimmen und Musik ihr entgegen und raubte ihr für einen Moment den Atem. Die Marmorböden reflektierten das Licht der glitzernden Kronleuchter, und die Wände waren mit Porträts längst verstorbener Falkenbergs geschmückt. Die gemalten Augen folgten jedem ihrer Schritte, ein stummer Vorwurf oder vielleicht eine Warnung.

Clara zögerte einen Augenblick, ließ ihren Blick durch den Saal gleiten. Die Elite war hier versammelt, elegant und makellos, doch hinter den maskenhaften Lächeln und den perfekt inszenierten Gesten konnte sie die unausgesprochenen Intrigen und Rivalitäten fast greifen. Sie atmete tief ein, sammelte sich und schlüpfte in ihre Rolle. Aufrecht stehen. Lächeln, aber nur dezent. Beobachten, ohne beobachtet zu werden.

Ihre Gedanken kehrten zu ihrem Ziel zurück: Victor. Der Name hatte sich wie ein Stachel in ihr Bewusstsein gebohrt. Was wusste er? Und würde sie heute Abend endlich die Verbindung zwischen ihm, den Falkenbergs und dem Tod ihres Vaters aufdecken können? Mit jedem Schritt erinnerte sie sich daran, dass sie sich keine Fehler erlauben durfte.

„Beeindruckend, nicht wahr?“ Eine tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Clara zuckte unmerklich zusammen, drehte sich langsam um und sah direkt in die stahlblauen Augen von Jonathan von Falkenberg. Er hielt ein Glas Champagner in der Hand und strahlte eine lässige Eleganz aus, doch seine Haltung war alles andere als entspannt. Er analysierte sie, als sei sie ein Rätsel, das er lösen wollte.

„Beeindruckend ist wohl das richtige Wort“, erwiderte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch ihre Gedanken rasten. Sie hielt seinem Blick stand, ließ sich nicht einschüchtern, bevor sie sich absichtlich wieder der Menge zuwandte. „Ein bisschen viel Glanz und Gloria für meinen Geschmack.“

Jonathan hob eine Augenbraue, ein kaum merkliches Lächeln spielte um seine Lippen. „Und doch sind Sie hier. Ein interessanter Widerspruch.“

Clara spürte, wie er an ihrer Seite blieb, während sie sich langsam durch die Menge bewegte. Sein Blick war schwer, untersuchte sie, als ob er mehr über sie erfahren wollte, als sie preisgeben wollte. Sie wusste, dass sie spielen musste – mit Bedacht.

„Ich nehme an, Sie sind hier, um Kontakte zu knüpfen?“ fragte er beiläufig, doch in seinem Ton lag eine unterschwellige Schärfe. Es war keine einfache Frage. Es war ein Test.

Sie ließ ihren Blick über den Saal schweifen, bevor sie antwortete. „Man könnte sagen, ich bin eine Beobachterin. Manchmal erfährt man mehr, wenn man einfach zuhört.“

Jonathan lachte leise, ein Klang, der sowohl charmant als auch gefährlich wirkte. „Interessant. Dann sollten Sie wissen, dass in diesem Raum niemand etwas preisgibt, was er nicht preisgeben will.“

Clara drehte sich zu ihm um, ihre grünen Augen trafen seine mit einem Funken Herausforderung. „Das ist die Kunst, nicht wahr? Das Ungesagte herauszufiltern.“

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, eine Spannung, die die Luft dichter machte. Sie konnte nicht genau sagen, was es war – Misstrauen, Faszination oder beides. Doch sie wusste, dass Jonathan von Falkenberg nicht leicht einzuschätzen war. Seine Miene blieb ruhig, doch in seinen Augen lag etwas, das sie nicht greifen konnte.

„Miss…?“ Er ließ das Wort in der Luft hängen, eine Einladung, sich vorzustellen.

Clara neigte leicht den Kopf. „Hoffmann. Clara Hoffmann.“ Ihr Ton war neutral, doch sie beobachtete ihn genau, um seine Reaktion zu messen.

Jonathans Lächeln verschwand. Sein Blick verhärtete sich, doch nur für einen Moment – so kurz, dass sie sich fast fragte, ob sie es sich eingebildet hatte. „Interessant. Willkommen auf Falkenberg-Boden, Miss Hoffmann.“

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und glitt förmlich durch die Menge, als hätte er entschieden, dass er genug für den Moment erfahren hatte. Clara blieb regungslos stehen, spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Er wusste etwas. Das war sicher.

Sie nahm ein Glas Champagner von einem vorbeigehenden Kellner, nippte nur daran und zwang sich, ihren Fokus zurückzugewinnen. Sie war nicht hier, um sich von Jonathan ablenken zu lassen. Ihr Ziel war Victor.

Plötzlich spürte sie einen durchdringenden Blick auf sich ruhen. Langsam wandte sie sich um – und da war er. Victor von Falkenberg stand am Rand des Raumes, halb verborgen von einer Säule. Sein Anzug saß makellos, doch es war die Art, wie er sich regungslos verhielt, die ihn gefährlicher machte. Wie ein Raubtier, das seine Beute fixierte.

Er hob sein Glas in einem kaum merklichen Gruß, ein Lächeln auf den Lippen, das nichts als Berechnung ausstrahlte. „Miss Hoffmann“, sagte er leise, sein Ton so glatt wie Samt, doch darunter lag eine Härte, die ihr eine Gänsehaut bereitete. „Es ist selten, dass jemand wie Sie in unsere Welt eintaucht. Ich bin gespannt, was Sie hier suchen.“

Clara zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, hielt seinem Blick stand. „Vielleicht nur Inspiration“, erwiderte sie kühl, obwohl ihr Herz schneller schlug.

Victor neigte leicht den Kopf, als wäre ihre Antwort amüsant. „Nun, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Inspiration kann ein gefährliches Spiel sein.“

Mit einem letzten, bedeutungsvollen Blick drehte er sich um und verschwand in der Menge. Clara blieb stehen, ihre Gedanken wirbelten. Victor hatte sie erkannt, vielleicht sogar mehr über sie gewusst, als sie preisgeben wollte. Doch sie war nicht hier, um sich einschüchtern zu lassen.

Trotz des pulsierenden Adrenalins in ihren Adern wusste sie eines sicher: Sie war näher an der Wahrheit, als sie es je zuvor gewesen war. Und sie würde nicht aufgeben, nicht bevor sie die Schatten durchdrungen hatte, die diese Mauern umgaben.