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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 2Eine mysteriöse Botschaft


Hanna

Das Summen des Ventilators hatte sich zu einem gedämpften Pulsieren entwickelt – ein monotoner Rhythmus, der sich wie ein Echo in Hannas Bewusstsein einnistete. Die Luft im Lagerhaus war schwer, ein Gemisch aus abgestandenen Gerüchen und der latenten Anspannung der letzten Tage. Ihre Fingerspitzen glitten gedankenverloren über die verblassten Worte in Adrians Notizbuch. Die schwache Tinte schien wie ein Abbild seiner verblassenden Präsenz zu sein. Ihr Blick verweilte auf einer Passage, die aus Adrians eigenwilliger Handschrift hervorstach: „Die Wahrheit ist selten offensichtlich, aber sie verbirgt sich oft im Unscheinbaren.“

Ein leises Ping durchbrach die Stille. Hanna zuckte zusammen, hob den Kopf und sah, wie das Licht ihres Laptops aufleuchtete. Ihre Augen verengten sich, als sie die Benachrichtigung auf dem Bildschirm betrachtete. Eine verschlüsselte Nachricht, anonym und unscheinbar, doch die Komplexität der Sicherheitsschicht, die sie umgab, ließ keinen Zweifel daran, dass sie von Bedeutung war.

Rahul, die wenige Meter entfernt an ihrem eigenen Platz saß, bemerkte die Veränderung in Hannas Anspannung. Sie stand auf, ihre Brille leicht verrutschend, und trat näher. „Was ist das?“ fragte sie scharf, ihre Stimme gedämpft, als würde sie instinktiv die Bedeutung der Nachricht erfassen.

Hanna lehnte sich zurück, ließ Rahul den Platz übernehmen. „Ich weiß es nicht. Es sieht aus wie eine gezielte Übertragung … vielleicht an mich. Kannst du sie entschlüsseln?“

Rahul zog wortlos einen USB-Stick aus der Tasche und steckte ihn in den Laptop. „Ich werde es versuchen. Diese Verschlüsselung ist komplex, aber ich habe schon Schlimmeres geknackt.“ Ihre Finger flogen über die Tastatur, während sie mehrere Programme startete.

In der Stille, die folgte, wanderte Hannas Blick zurück zu Adrians Notizbuch. Was hätte er in diesem Moment getan? Hätte er der Nachricht Vertrauen geschenkt – oder hätte er sie als Falle abgetan? Der Gedanke an Adrian ließ ihre Kehle sich zuschnüren. Sie erinnerte sich daran, wie oft er sie gewarnt hatte, vor allem bei Hinweisen, die zu gut schienen, um wahr zu sein.

„Got it,“ murmelte Rahul plötzlich und riss Hanna aus ihren Gedanken. Der Bildschirm zeigte nun einen entschlüsselten Text:

„Treffen im Spiegelpalast. Details folgen. Vertraue nicht jedem Schatten.“

Hannas Magen zog sich zusammen. Der Spiegelpalast. Der Name hallte in ihrem Geist wider, ein Ort, der in den Erzählungen um Isabella und den Schatten wie ein unheimliches Phantom immer wieder aufgetaucht war. Eine Mischung aus Faszination und Unbehagen durchströmte sie.

„Das ist ein Köder“, sagte Rahul entschieden. Ihre Stimme war fest, aber auch von einer unterschwelligen Besorgnis geprägt. „Der Spiegelpalast? Das schreit nach Falle. Wer auch immer das geschickt hat, versucht, uns dort hinzulocken.“

Hanna biss sich auf die Unterlippe. „Oder jemand versucht uns zu warnen. Das könnte der erste echte Hinweis sein, den wir seit Wochen bekommen haben.“

Rahul schnaubte und verschränkte die Arme. „Oder genau das, was sie wollen, dass wir denken. Hanna, das ist zu riskant. Wir wissen nichts über den Absender, nichts über deren Motive. Es könnte Isabella selbst sein, die uns in eine Falle lockt.“

Ein leises Geräusch an der Tür ließ sie beide aufblicken. Raphael trat ein, sein Gesicht gezeichnet von der unerschütterlichen Ernsthaftigkeit, die ihn auszeichnete. Sein Blick fiel sofort auf den Bildschirm.

„Was habt ihr da?“ fragte er, während er näher trat.

Hanna zeigte auf die Nachricht. Raphael trat an den Tisch, las die Worte, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Das ist eindeutig eine Einladung. Die Frage ist nur: von wem?“

„Genau das ist das Problem“, warf Rahul ein. „Eine Einladung, die wir weder nachverfolgen noch verifizieren können. Es ist verrückt, dem zu folgen.“

Raphael lehnte sich gegen den Tisch, sein Gesicht von Nachdenklichkeit geprägt. „Es könnte eine Falle sein. Aber wenn es echt ist … könnte das unsere Chance sein, Isabella einen Schritt näherzukommen.“

Rahul hob die Hände, frustriert. „Ihr wollt das Risiko eingehen, blindlings in etwas hineinzustolpern? Der Spiegelpalast ist nicht irgendein Ort! Er wird in den Geschichten immer als das Zentrum von Intrigen und Illusionen beschrieben. Der perfekte Ort für eine Falle.“

Hanna richtete sich auf. „Wir wissen, dass Isabellas Netzwerk sich reorganisiert. Wir wissen, dass sie Pläne verfolgt, die wir noch nicht ganz verstehen. Und ja, der Spiegelpalast ist gefährlich, aber er könnte auch Antworten liefern. Wir können keine Zeit mehr verlieren.“

Raphael nickte langsam. „Ich stimme zu. Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, auch wenn sie riskant ist. Zögern kostet uns nur den Vorteil.“

„Das ist Wahnsinn“, sagte Rahul, ihre Stimme leiser, aber eindringlicher. „Dieses Risiko einzugehen, ohne alle Variablen zu kennen, grenzt an Fahrlässigkeit.“

Hanna trat auf sie zu, legte ihr eine Hand auf die Schulter. Ihre Stimme war ruhig, aber bestimmt. „Rahul, ich verstehe deine Sorgen, wirklich. Aber manchmal müssen wir handeln, auch wenn wir nicht alle Antworten haben. Adrian hat mir beigebracht, dass Stillstand oft gefährlicher ist als ein gewagter Schritt ins Unbekannte.“

Rahul blieb still, die Spannung in ihren Schultern löste sich langsam. Schließlich schnaubte sie, aber ihr Blick wurde weicher. „Wenn wir das machen, dann nur mit einem Plan. Niemand rennt einfach los, ohne vorbereitet zu sein.“

„Ich erwarte nichts anderes von dir“, erwiderte Hanna mit einem schwachen Lächeln.

„Also gut“, sagte Raphael. „Wir wissen, wo das Treffen stattfinden soll. Aber wir müssen herausfinden, was uns erwartet. Ich werde meine Kontakte befragen.“

„Und ich werde versuchen, mehr über diese Nachricht und ihren Absender herauszufinden“, fügte Rahul hinzu.

Hanna nickte. „Danke. Wir treffen uns später und besprechen die nächsten Schritte.“

Die beiden verließen den Raum, und erneut blieb Hanna allein zurück. Doch dieses Mal schien die Stille schwerer, die Kälte des Raumes drang tief in ihre Gedanken ein. Sie griff wieder nach Adrians Notizbuch, ihre Finger strichen über die Worte, die er einst mit so viel Bedacht niedergeschrieben hatte.

„Die Wahrheit ist selten offensichtlich.“

Mit einem langsamen Atemzug schloss sie das Buch. Ihre Gedanken rasten, doch ihr Entschluss war gefasst: Der Spiegelpalast war der nächste Schritt. Ob sie einen Verbündeten finden oder in eine Falle tappen würde, musste sich erst zeigen.

Die Lampe flackerte, und für einen Moment schien die Dunkelheit des Raumes lebendig zu werden. Doch Hannas Entschlossenheit blieb ungebrochen. Der Kampf war noch lange nicht vorbei – und sie würde ihn bis zum Ende führen.