reader.chapter — Der Pakt mit dem Feind
Wechsel zwischen Isa Wagner und Alexej Markov
Isa fror in der stillen Dunkelheit ihrer Wohnung. Die Kälte kroch unter ihre Haut, doch es war nicht die Temperatur, die sie zittern ließ. Es war das Wissen, dass jemand hier gewesen war – jemand, der nicht hätte hier sein dürfen. Der durchwühlte Schreibtisch, das leere Glas auf dem Küchentisch, die Kratzer am Türschloss – sie alle waren stumme Zeugen eines Eingriffs in ihre Sicherheit. Isa hatte ihr Leben darauf aufgebaut, Kontrolle zu bewahren. Doch diese Sicherheit bröckelte jetzt, wie eine dünne Eisschicht unter den Füßen.
Plötzlich durchbrach das Klicken eines Schlosses die Stille, und Isa erstarrte. Ihre Tür öffnete sich langsam, ohne Eile, und ließ die Kälte der Nacht in die Wohnung dringen. Sie griff nach der nächstgelegenen Schreibtischlampe, ihre Finger zitterten leicht, während ihr Atem in ihrem Hals steckenblieb. Der Lichtstrahl enthüllte nicht die vertrauten Konturen ihrer Wohnung, sondern die Silhouette eines Mannes, dessen Bewegungen ruhig und kontrolliert waren.
„Nicht nötig, sich zu verteidigen, Fräulein Wagner,“ sagte eine kühle, tiefe Stimme, die sich wie ein Schatten durch den Raum legte. „Ich bin nur hier, um zu reden.“
Alexej Markov trat ins Licht, und sein Anblick schien den Raum einzunehmen. Seine eisblauen Augen ruhten auf Isa mit der Gelassenheit eines Mannes, der nichts zu fürchten hatte. Er wirkte nicht wie ein Eindringling, sondern wie jemand, der das unangefochtene Recht hatte, hier zu sein. Isa starrte ihn an, unfähig, ein Wort herauszubringen. Sein maßgeschneiderter Anzug saß tadellos, die dunklen Stoffe unterstrichen die Härte seiner Züge. Doch es war sein Blick, der sie am meisten beunruhigte – eine kalte Mischung aus Drohung und Faszination, die sie wie ein Raubtier fixierte.
„Was... was tun Sie hier?“ brachte sie schließlich hervor, ihre Stimme schneidend, obwohl ihr Herz gegen ihre Rippen hämmerte.
„Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht, nach den Ereignissen der letzten Nacht,“ antwortete Alexej, während er zu ihrem Bücherregal schlenderte. Seine Finger glitten über die Buchrücken, als würde er die Auswahl bewerten. „Sie haben einen interessanten Geschmack.“
Isa trat einen Schritt zurück, noch immer die Lampe in der Hand. „Das hier ist Hausfriedensbruch. Ich könnte die Polizei rufen.“
Ein amüsiertes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Natürlich könnten Sie das. Aber Sie werden es nicht tun.“
„Was wollen Sie von mir?“ fragte Isa scharf, ihre Augen verengt.
Alexej wandte sich ihr zu, seine Bewegungen kontrolliert, fast geschmeidig. „Was ich will, ist einfach. Sie wissen Dinge, die Sie nicht wissen sollten. Sie sind klug, mutig, vielleicht ein wenig zu neugierig für Ihr eigenes Wohl. Das macht Sie faszinierend, aber auch gefährlich. Und ich mache keine halben Sachen, Fräulein Wagner.“
Isa hob das Kinn, ihre Haltung stahlhart, auch wenn ihr Inneres bebte. „Wenn Sie hier sind, um mir zu drohen, dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Ich werde nicht aufhören, nach der Wahrheit zu suchen.“
Alexej schritt näher, bis nur noch der Couchtisch sie voneinander trennte. „Eine Frau wie Sie, so entschlossen, so sicher in ihrer Moral, vergisst manchmal, wie zerbrechlich die Welt um sie herum ist.“ Sein Ton blieb ruhig, doch seine Worte trafen wie ein Messer. „Ich habe Ihre Familie, Ihre Freunde beobachtet. Die Menschen, die Sie lieben, sind verletzlicher, als Sie glauben.“
Isa fühlte die Farbe aus ihrem Gesicht weichen. „Das ist eine Drohung.“
„Nein,“ sagte er leise, „das ist eine Warnung.“
Die Stille, die folgte, war drückend, durchbrochen nur von Isas rasendem Atem. Dann zog Alexej einen Umschlag aus seiner Jackentasche und legte ihn mit einer bedächtigen Geste auf den Tisch.
„Ich habe ein Angebot für Sie, eines, das wir beide nicht ablehnen können.“
Isa starrte den Umschlag an, als würde er glühen. „Was für ein Angebot?“ fragte sie, ihre Stimme scharf und ungläubig.
„Eine Ehe.“
Das Wort hing in der Luft, schwer und unerwartet. „Was?“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Unglauben.
Alexej ließ sich auf das Sofa sinken, die Ruhe selbst. „Eine Scheinehe, wenn Sie so wollen. Sie geben mir den gesellschaftlichen Vorteil, den ich brauche, um meine Geschäfte weiterzuführen. Und im Gegenzug erhalten Sie Schutz – für sich, für Ihre Familie, für Ihre Freunde.“
Isa schüttelte den Kopf, ihre Gedanken rasselten durcheinander. „Das ist absurd. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich darauf einlasse.“
„Ich glaube, dass Sie eine intelligente Frau sind, Isa. Klüger als die meisten. Sie wissen, dass jede andere Option weitaus gefährlicher wäre.“
„Das ist Erpressung!“ Ihre Stimme hob sich, ihr Zorn mischte sich mit wachsender Verzweiflung.
„Nennen Sie es, wie Sie wollen.“ Seine Stimme blieb gleichmütig, doch in seinem Blick lag eine unnachgiebige Härte, die keinen Widerspruch zuließ. „Doch denken Sie darüber nach. Ihre Prinzipien sind bewundernswert, aber sie werden Sie nicht retten. Ich kann es.“
„Warum ich?“ Ihre Stimme klang fast flehend, und ein Hauch von Verzweiflung schwang mit. „Warum ausgerechnet ich?“
Alexej erhob sich, sein Blick durchbohrte sie. „Weil Sie etwas Besonderes sind, Fräulein Wagner. Und weil Sie jetzt in meinem Spiel sind. Die Frage ist, wie Sie es spielen wollen.“
Ihre Gedanken rasten. Sie überlegte fieberhaft, wie sie sich aus dieser Lage befreien könnte, doch jede mögliche Option führte zurück zu Alexej – und zu der Drohung, die er unausgesprochen über ihr Leben und das ihrer Lieben gelegt hatte.
Er schritt zur Tür, drehte sich noch einmal zu ihr um. „Ich gebe Ihnen bis morgen Abend, um Ihre Antwort zu geben. Aber ich warne Sie – wenn Sie sich entscheiden, nicht mitzuspielen, wird das Spiel für Sie nur schwieriger werden.“
Mit diesen Worten verschwand er, und Isa blieb zurück, allein in ihrer Wohnung, die plötzlich wie ein Gefängnis wirkte.
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Im Penthouse lehnte sich Alexej auf dem Balkon an die Balustrade, die eisige Luft der Nacht umgab ihn. Unter ihm glühte die Stadt in kalten Lichtern, ein Netz aus Macht und Kontrolle, das er meisterhaft beherrschte. Sergej stand hinter ihm, wartend auf Anweisungen.
„Sie wird zustimmen,“ sagte Alexej schließlich, mehr zu sich selbst als zu Sergej. Seine Stimme trug eine ruhige Gewissheit, doch in seinen Augen lag ein flüchtiges Funkeln, eine Andeutung von Faszination.
„Und wenn nicht?“ wagte Sergej zu fragen, seine Stimme vorsichtig.
Alexej drehte den Kopf leicht, ein kaltes Lächeln auf seinen Lippen. „Dann wird sie lernen, dass ich kein Mann bin, den man herausfordert.“
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Isa lag auf ihrem Bett, den Umschlag noch immer ungeöffnet in ihrer Hand. Die Stunden zogen vorbei, während sie auf das glatte Papier starrte, als würde es sie verspotten. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um Alexejs Worte, um die Drohungen, die unausgesprochenen Konsequenzen.
Sie dachte an ihre Eltern, an ihre Freunde – an die Leben, die sie nicht zerstören konnte. Doch der Preis, den Alexej von ihr forderte, war unvorstellbar.
Mit zitternden Fingern öffnete sie schließlich den Umschlag. Die Worte auf dem Papier waren scharf und präzise, wie ein Vertrag mit dem Teufel. Isa wusste, dass es keine Wahl gab. Nicht wirklich. Sie war in einen Strudel geraten, aus dem es kein Entrinnen gab – zumindest nicht ohne Kompromisse.