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Liebesromane an einem Ort

Kapitel 2Ein verlockendes Angebot


Clara und Damian

Die klare Nachmittagssonne, die durch die dünnen Vorhänge fiel, tauchte Claras winziges Wohnzimmer in goldenes Licht. Der Raum war still, bis auf das leise Ticken einer alten Wanduhr. Das Gespräch mit Lars Grünewald hatte sich wie ein unsichtbarer Schleier über die Atmosphäre gelegt. Clara saß am Küchentisch, ihre Hände ruhten reglos auf der Tischplatte neben der leeren Croissant-Tüte, die Elena mitgebracht hatte. Der Duft von Butter und Gebäck war längst verflogen.

„Das klingt nach einer Chance, Clara!“ Elena brach die Stille mit ihrer gewohnt energischen Stimme. Sie lehnte sich nach vorne, ihre braunen Augen funkelten entschlossen, während sie Clara fixierte. „Exklusiv, außergewöhnlich, vielversprechend... Das sind nicht einfach nur leere Worte. Es könnte wirklich ein Wendepunkt sein.“

Claras Blick glitt zum Telefon, das auf dem Klavier lag. Die Streifen des Lichts, die durch die Vorhänge fielen, schienen es einzurahmen, als wollte es sie zu einer Entscheidung drängen. Sie verschränkte die Arme, atmete tief ein und sprach schließlich: „Oder es ist wieder nur ein weiteres leeres Versprechen. Das habe ich schon erlebt – große Worte, große Hoffnungen... und dann die Enttäuschung.“

„Clara.“ Elena schüttelte vehement den Kopf, ihre Locken schimmerten im goldenen Licht. „Das hier fühlt sich anders an. Es ist anders. Hör zu, was hast du zu verlieren? Es ist nicht so, als würde dein Telefon täglich mit solchen Angeboten überquellen.“

Die Worte trafen Clara mit schmerzhafter Ehrlichkeit. Sie hatte nichts zu entgegnen, und die Stille, die folgte, fühlte sich schwer an. „Ich weiß es nicht, Elena“, murmelte sie schließlich. „Es ist zu gut, um wahr zu sein. Und... warum ich? Es gibt so viele talentierte Musiker. Warum ausgerechnet ich?“

Elena griff nach Claras Hand und hielt sie fest, ihre Stimme wurde weicher, fast mütterlich. „Weil du das Talent hast, Clara. Du siehst es vielleicht nicht, aber ich tue es. Und vielleicht sieht es Lars Grünewald auch. Hör auf, dich selbst zu sabotieren.“

Clara spürte die Wärme in Elenas Worten, doch die Zweifel in ihrem Inneren wollten nicht weichen. Sie dachte an ihre Vergangenheit – an die vielen kleinen und großen Rückschläge, an die Absagen, die ihr Talent in Frage gestellt hatten, und an die eine Gelegenheit, die fast alles zunichtegemacht hätte.

Ein leichter Windstoß ließ die Vorhänge flattern, als ihr Blick erneut zum Telefon wanderte. Sie fühlte sich, als stünde sie an einer Weggabelung – ein Schritt könnte sie vorwärts bringen, oder in ein neues Unbekanntes stürzen.

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte sie schließlich, ihre Stimme leise, aber etwas fester. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen, mehr für Elena als für sich selbst.

Elena grinste triumphierend und hob ihr Glas Wasser in einer Geste des Toastens. „Das ist meine Clara! Aber lass dir nicht zu viel Zeit – Chancen wie diese setzen nicht ewig auf einen.“

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Damian saß in seinem weitläufigen Büro, das in warmen Holztönen und eleganten Details gehalten war, und überblickte die Liste vor ihm. Die Namen und Bewerbungen der Talente, die für das Konzert in Betracht gezogen wurden, waren akribisch zusammengestellt worden. Doch keiner der Namen hatte wirklich sein Interesse geweckt.

Erneut fiel sein Blick auf Clara Hoffmann. Der Name war schlicht, fast unscheinbar. Kein pompöses Künstlerpseudonym, keine übertriebene Selbstbeschreibung – nur diese Einfachheit. Und genau diese Einfachheit blieb ihm im Gedächtnis.

„Claire.“ Seine Stimme war ruhig und doch bestimmend. Wenige Sekunden später trat seine Assistentin aus dem angrenzenden Raum. Mit perfektem Gang und makelloser Erscheinung spiegelte sie die Effizienz wider, die Damian von seinem Team erwartete.

„Ja, Sir?“

Er schob ihr das Blatt Papier mit Claras Namen zu. „Ich möchte mehr über diese Clara Hoffmann wissen. Alles – ihre Arbeit, ihren Hintergrund, ihre Motivation. Ich will keine Lücken in den Informationen.“

Claire nahm das Blatt, warf kurz einen Blick darauf und nickte. „Natürlich. Soll ich sie direkt kontaktieren?“

„Noch nicht.“ Damian lehnte sich zurück, seine eisblauen Augen fixierten einen Punkt in der Ferne. „Ich will erst verstehen, mit wem wir es zu tun haben. Aber etwas sagt mir, dass sie... anders ist.“

Claire erlaubte sich ein kaum merkliches Lächeln, bevor sie den Raum verließ. Damian blieb allein mit seinen Gedanken. Clara Hoffmann. Der Name hatte ihn nicht losgelassen, und das war selten – zu selten, um es zu ignorieren.

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Am Abend saß Clara an ihrem kleinen Küchentisch und starrte auf den Laptop-Bildschirm vor sich. Die E-Mail von Lars Grünewald war eingetroffen. Sie enthielt Details zum Konzert und ließ ihre Gedanken schwirren.

Das Konzert sollte in einem renommierten Resort in den Schweizer Alpen stattfinden – einem Ort, den Clara sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Das beschriebene Ambiente klang wie eine andere Welt, weit entfernt von ihrem Leben in Wien, von ihrer kleinen Wohnung mit den abgenutzten Tapeten und dem verstimmten Klavier.

Elena, die sich auf dem Sofa ausgestreckt hatte, bemerkte Claras nachdenklichen Ausdruck. „Was steht drin?“ fragte sie und setzte sich auf.

Clara las die Worte erneut und murmelte: „Es klingt... beeindruckend. Ein Konzert vor ausgewählten Gästen. Ein Ort, der so luxuriös ist, dass ich mir kaum vorstellen kann, dort zu sein.“

„Das klingt perfekt!“ Elena sprang auf und eilte zu Clara, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. „Du musst zusagen, Clara. Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun!“

Clara biss sich auf die Unterlippe. „Aber was, wenn ich nicht gut genug bin? Was, wenn ich dort hingehe und scheitere?“

Elena legte ihre Hände auf Claras Schultern, ihre Stimme weich, aber eindringlich: „Hör mir zu, Clara. Du bist eine der talentiertesten Menschen, die ich kenne. Es ist Zeit, dass du das auch anderen zeigst. Und wenn nicht jetzt... wann dann?“

Die Worte ihrer Freundin hallten in Claras Kopf nach. Sie dachte an die zahllosen Stunden, die sie am Klavier verbracht hatte, an die Momente, in denen die Musik ihre einzige Zuflucht gewesen war. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, diese Zuflucht mit der Welt zu teilen.

Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Telefon. „Okay“, sagte sie schließlich, während ihr Herz schneller schlug. „Ich sage zu.“

Elena klatschte in die Hände und tanzte vor Freude durch den Raum, während Clara die Nummer wählte, die in der E-Mail angegeben war.

Nach wenigen Klingeltönen meldete sich Lars Grünewalds Stimme am anderen Ende der Leitung. „Guten Abend, Miss Hoffmann. Ich hoffe, meine Nachricht hat Sie erreicht.“

„Ja“, antwortete Clara, ihre Stimme zögernd, aber klar. „Ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich das Angebot annehme.“

Lars klang zufrieden. „Das freut mich zu hören. Ich werde die weiteren Details an Sie senden und alles arrangieren. Sie werden es nicht bereuen, Miss Hoffmann.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, ließ Clara das Telefon sinken. Ein Gefühl der Erleichterung und der Angst erfüllte sie gleichermaßen. Elena umarmte sie von hinten, ihre Begeisterung war ansteckend.

„Das war die richtige Entscheidung, Clara. Ich spüre es!“

Clara hoffte, dass Elena recht hatte. Innerlich wusste sie, dass sich etwas ändern musste – aber ob sie bereit war, sich dieser neuen Welt zu stellen, blieb ungewiss.

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Damian stand mit einem Glas Rotwein in der Hand auf der Terrasse seines Penthouse. Die Lichter von Zürich funkelten in der kühlen Nachtluft, eine stille Erinnerung an die Welt, die ihm gehörte – und die ihn manchmal so leer fühlen ließ.

Claire hatte ihre Recherchen abgeschlossen. Clara Hoffmann hatte ein einfaches Leben geführt, geprägt von harter Arbeit und künstlerischer Hingabe. Es war ein Kontrast zu allem, was Damian kannte.

Er ließ die Details durch seinen Kopf gleiten. „Interessant“, murmelte er vor sich hin, während er an seinem Wein nippte.

Die Flammen der Terrassenfackeln tanzten im Wind, ihre Bewegungen unruhig und faszinierend. Damian fragte sich, ob Clara Hoffmann die Herausforderung war, die er unbewusst gesucht hatte.