App herunterladen

Liebesromane an einem Ort

Kapitel 2Schatten in der Nacht


Hannah

Die Straßen der Metropole lagen in tiefes Schwarz gehüllt, nur unterbrochen vom schimmernden Glanz der Neonlichter, die sich auf den regennassen Pflastersteinen spiegelten. Der Regen fiel unaufhörlich, sein rhythmisches Prasseln wurde von gelegentlichen, gedämpften Geräuschen aus der Ferne begleitet. Hannahs Schritte hallten durch die leeren, stillen Gassen, während sie ihre Kapuze tiefer ins Gesicht zog. Sie bemühte sich, ruhig zu atmen, doch ihr Puls raste unbarmherzig – ein Trommelschlag in ihrer Brust, der sie antrieb und gleichzeitig lähmte.

Das Apartment hatte sie fluchtartig verlassen, ihre Tasche über die Schulter geworfen, ohne sich ein einziges Mal umzusehen. Vor ihrem inneren Auge blitzte immer wieder die rote Warnmeldung auf ihrem Bildschirm auf: „Unbefugter Zugriff erkannt. Sicherheitsprotokoll aktiviert.“ Der Klang des Alarms, ein grelles, durchdringendes Signal, schien noch immer in ihren Ohren zu hallen, obwohl sie längst außer Reichweite war.

Ein knackendes Geräusch hinter ihr ließ sie innehalten. Ihr Atem stockte, und ihre Augen suchten hastig die Umgebung ab, doch die Gasse war leer. Trotzdem hielt das beklemmende Gefühl an, dass sie nicht allein war.

Hannah zwang sich, weiterzugehen, und griff zu ihrem Handy. Während sie lief, öffnete sie eine App, die sie selbst entwickelt hatte – ein Programm, das potenzielle digitale Überwachung aufspüren konnte. Ihre Finger flogen über das Display, und sie überprüfte ihre digitale Spur. Nichts Auffälliges. Dennoch wusste sie, dass das keine Garantie war. Sie setzte eine VPN-Umleitung auf, deaktivierte Standortdienste und verschlüsselte erneut ihre Verbindung. Jeder Schritt zählte, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob es genug war.

Sie beschloss, sich unter die Menschen zu mischen. Es würde schwieriger sein, sie in einer Menge zu verfolgen. Ein paar Straßenzüge weiter würde sie das Café Cybernia erreichen – ein Ort, an dem sie oft arbeitete, ein Ort, der sich sicher anfühlte. Ihre Finger umklammerten ihre Tasche fester, als sie schneller ging.

Doch dann bemerkte sie es. Ein schwarzer Wagen, der langsam die Straße entlangrollte. Zuerst dachte sie, es wäre Zufall. Doch als sie einen scharfen rechten Winkel bog und der Wagen ihr folgte, spürte sie, wie sich ein kalter Schauer ihren Rücken hinaufzog.

Das Summen des Motors schien über die Gasse zu dröhnen, obwohl der Wagen sich leise bewegte. Hannahs Gedanken rasten. Wie hatten sie sie so schnell gefunden? Hatte sie irgendwo einen Fehler gemacht? Sie biss sich auf die Lippe und zwang sich, nicht laut zu fluchen.

Plötzlich drehte der Wagen in eine Querstraße und verschwand aus ihrem Blickfeld. Doch das flaue Gefühl in ihrem Magen blieb. Sie blieb einen Moment stehen, lauschte auf das Echo ihrer Schritte, auf das Rauschen des Regens, auf irgendetwas, das sie warnen könnte. Nichts. Nur die bedrückende Stille der Nacht. Sie spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte.

Hannah bog abermals ab, diesmal in eine viel belebtere Straße. Menschen strömten aus Bars und Restaurants, Regenschirme tanzten durch die Nacht, und die Luft war erfüllt von Gelächter und Stimmengewirr. Eine grelle digitale Werbetafel flackerte über ihr, warf pulsierende Farben auf die nassen Bürgersteige. Sie zwang sich, einen neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren, während sie sich in die Menge schob.

Ihre Finger zitterten leicht, als sie nach ihrem Handy griff. Sie öffnete die Messenger-App und tippte eine schnelle Nachricht an Markus, ihren alten Freund und Mentor: „Bin in der Nähe des Cybernia. Etwas ist nicht richtig. Kannst du kommen?“

Keine zehn Sekunden später erschien der „Getippt“-Status. Sie hielt inne, das Handy fest umklammert. Schließlich kam seine Antwort: „Bin schon unterwegs. Bleib in der Nähe von Leuten.“

Ein Hauch von Erleichterung durchzog sie, doch die Anspannung ließ nicht nach. Über ihren Schultern lastete weiterhin die unsichtbare Bedrohung, als sie das Café Cybernia erreichte und unauffällig durch die Tür schlüpfte.

Ein warmer, beruhigender Duft aus frisch gebrühtem Kaffee und Zimt umhüllte sie, und das Summen von Laptops und gedämpften Gesprächen erfüllte die Luft. Die pulsierenden LED-Installationen an den Wänden tauchten den Raum in wechselndes Licht, während technologische Gerätschaften und blinkende Bildschirme das Ambiente unterstrichen. Hier fühlte sie sich normalerweise zu Hause – doch nicht heute.

Hannah wählte einen Tisch in der hintersten Ecke, direkt neben einer Steckdose. Sie zog ihren Laptop aus der Tasche, doch ihre Finger zögerten über der Tastatur. Jedes Mal, wenn sie über das Touchpad strich, spürte sie die Unsicherheit, die sie wie ein Schleier umgab. War sie bereits überwacht? Hatte sie überhaupt noch Kontrolle?

„Hannah?“

Die Stimme ließ sie zusammenzucken. Als sie aufsah, stand Markus vor ihr, ein hochgewachsener Mann mit zerzaustem Haar und tiefliegenden Sorgenfalten. Er trug ein zerknittertes Hemd, das am Kragen leicht feucht vom Regen war.

„Markus“, flüsterte sie. Die Anspannung in ihrer Stimme war unverkennbar.

Er setzte sich ihr gegenüber, musterte sie mit ernster Miene und beugte sich leicht vor. „Was ist passiert? Deine Nachricht klang … dringlich.“

Hannah warf einen raschen Blick um sich. Ihre Stimme sank auf ein kaum hörbares Flüstern. „Ich habe etwas gefunden. Etwas Großes.“ Sie hielt inne, bevor sie weitersprach. „Und jetzt …“ Ihre Stimme brach, als sie über ihre Schulter spähte. „Ich glaube, jemand ist hinter mir her.“

Markus‘ Miene verhärtete sich. Kurz sah er sich im Raum um, bevor er zurück zu ihr sprach. „Hannah, was hast du getan?“ Seine Stimme klang wie eine Mischung aus Sorge und stiller Verärgerung.

Sie zögerte, ihre Worte vorsichtig abwägend, bevor sie ihm von dem Sicherheitsverstoß erzählte. Sie hielt die Details vage, ließ jedoch genug durchblicken, damit Markus das Ausmaß ihrer Situation erkennen konnte.

„Verdammt, Hannah.“ Markus lehnte sich zurück, fuhr sich durch das Haar und ließ seine Hand einen Moment lang auf der Tischplatte ruhen, bevor er schließlich weitersprach. „Du weißt, dass diese Leute keine Grenzen kennen. Du hättest sofort aufhören sollen.“

„Ich weiß, Markus, ich weiß.“ Sie ließ ihre Hände in den Schoß sinken. „Aber ich konnte nicht wegsehen. Es ist einfach … zu groß.“

Er nickte langsam, doch seine Augen verrieten, dass er nachdachte – Pläne schmiedete, Risiken abwog. „Hast du Kopien? Back-ups?“

„Ja“, antwortete sie leise. „Aber ich habe sie versteckt. Niemand kann sie finden.“

Markus’ Stirn legte sich in Falten, als er einen Moment lang schwieg. Plötzlich veränderte sich seine Haltung, als er etwas am Eingang des Cafés bemerkte. Hannah folgte seinem Blick und sah einen Mann in einem dunklen Mantel, der die Menge absuchte.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

„Markus“, flüsterte sie und griff nach seinem Arm. „Ich glaube, wir haben ein Problem.“

Er stand abrupt auf und packte sie am Handgelenk. „Wir gehen. Jetzt.“

„Wohin?“

„Irgendwo, wo wir uns verstecken können.“

Sie eilten durch die Hintertür des Cafés hinaus in die klamme Nacht. Der Regen hatte zugenommen, und ihre Schritte hallten auf dem nassen Asphalt. Immer wieder drehte sich Hannah um, suchte in der Dunkelheit nach Bewegungen, nach dem Mann im Mantel, doch die Gassen blieben leer.

Markus führte sie durch ein Labyrinth aus Seitengassen, bis sie schließlich an einem schmalen, unscheinbaren Gebäude ankamen. Er zog einen Schlüssel aus seiner Jacke und öffnete die Tür. „Rein da.“

Hannah gehorchte, und die Tür schloss sich hinter ihnen mit einem dumpfen Klicken. Der Raum war dunkel und roch nach Staub und altem Holz. Markus schaltete eine Lampe ein, deren warmes Licht nur einen kleinen Teil des Zimmers erhellte.

„Hör zu“, sagte er schließlich und setzte sich auf einen alten Stuhl. Sein Gesicht war eine Maske aus Sorge und Entschlossenheit. „Du bist jetzt ein Ziel. Diese Leute werden nicht aufhören, bis sie bekommen, was sie wollen. Aber egal, was passiert, ich werde dir helfen.“

Hannah nickte, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie wusste, dass sie eine Linie überschritten hatte, von der es kein Zurück mehr gab.

„Was auch immer passiert,“ flüsterte sie schließlich, „ich werde nicht aufgeben.“

Markus hielt ihrem Blick stand, seine Augen dunkel und voller Gewicht. „Das hoffe ich für dich, Hannah. Denn die Nacht wird noch dunkler werden.“